Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Man ist nie zu alt fürs Kindischsein

Vorarlberg / 09.01.2024 • 06:30 Uhr

Wie viele der Leute, die während der verschiedenen Pandemie-Lockdowns mit intensivem Spaziergehen angefangen haben, damit wieder aufgehört haben, weiß ich nicht. Ich glaube einige, den meisten ist es irgendwann zu fad geworden, ziellos herumzustiefeln. Viele andere haben festgestellt, wie gut ihnen die Bewegung im Freien tut, und tun es weiterhin. Ich weiß, welche damit bestimmt nicht aufgehört haben: diejenigen, bei denen wie bei mir während der Pandemie ein Hund eingezogen ist. Im letzten Jahr habe ich 2,9 Millionen Schritte gemacht und 2000,37 Kilometer geschafft (und ja, ich musste in den letzten Tagen des Jahres noch ordentlich was wegmarschieren, damit da schließlich ein Zweier davor stand. Man wird nie zu alt, um kindisch zu bleiben).

In Wien gibt es da nämlich so eine App, sie heißt „Wien zu Fuß“. Es handelt sich um einen erweiterten Schrittzähler: Man meldet sich an, gibt an, in welchem Bezirk man wohnt, sucht sich ein lustiges Pseudonym und ist dann Teil einer Community, die einer gemeinsamen Leidenschaft frönt: zu gehen. Möglichst viel zu gehen, denn die App hat eine Besonderheit, auf die wettbewerbsorientierte Menschen leicht anspringen: Es gibt Rankings, also Ranglisten, die zeigen, wer an einem Tag, in einem Monat, einem Jahr am weitesten gegangen ist: im Wohnbezirk oder in der Stadt. Heute bin ich mit erst 33 Schritten nur auf Platz 12 des Bezirksrankings, weil ich zuerst diese Kolumne fertig schreiben muss, bevor ich raus kann; außerdem habt es vor dem Waldviertler Fenster noch immer minus fünf Grad.

„Egal, es ist ja auch keine offizielle Weltmeisterschaft, die da ausgetragen wird, sondern nur ein Spiel. Ein Spiel, das einem gut tut.“

Natürlich weiß die App nicht, wo man geht; vielleicht sind einige gerade auf einer Weitwanderung in Peru oder dem Jakobsweg. Vielleicht arbeiten sie in der Gastronomie, in einem Krankenhaus oder in der Gebäudereinigung und sind den ganzen Tag auf den Beinen. Viele zählen mit Fitnesstrackern am Handgelenk jeden Schritt, während andere, so wie ich, das Smartphone nur zum Spazierengehen einstecken, während es sonst auf dem Tisch liegt. Egal, es ist ja auch keine offizielle Weltmeisterschaft, die da ausgetragen wird, sondern nur ein Spiel. Ein Spiel, das einem gut tut.

Ich habe natürlich nachgeschaut, ob es etwas Ähnliches auch fürs Ländle gibt, und fand eine beeindruckende App, die offenbar noch viel mehr kann als Ranglisten: Ich habe mich bei „Vbewegt“ schon angemeldet und werde das gleich mal ausprobieren, der Hund wartet bereits.

Ich gehe aber nicht nur des Hundes wegen. Ich gehe auch deshalb, weil es mir danach, egal wo und wie lange ich gegangen bin, zuverlässig besser geht, und manchmal komme ich mit einem neuen Gedanken nach Hause. Es hat zwar immer noch Minusgrade, aber ich habe eine warme Jacke, der Hund hat ein dickes Fell, wir gehen jetzt los.

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.