“Nur wer selbst geweint hat, bringt für andere Mitgefühl auf”

Vorarlberg / 09.01.2024 • 18:30 Uhr
Christina Matt betreibt heute in Dornbirn einen Kosmetiksalon.
Christina Matt betreibt heute in Dornbirn einen Kosmetiksalon.

Als ihr Opa starb, begann für Christina Matt (34) aus Rumänien das schwere Leben.

Dornbirn Christina Matt (34) wurde in Rumänien geboren. Sie war kein Wunschkind, im Gegenteil. „Mama wollte mich nicht.“ Diese hatte bereits drei Kinder. Die schwangere Frau versuchte alles Mögliche, um das ungeborene Kind loszuwerden. „Sie hat sich mehrmals auf den Bauch geworfen und ein paar Tage lang ein Gemisch aus Wein und Hefe getrunken in der Hoffnung, dass dies zu einem vorzeitigen Abbruch der Schwangerschaft führt. Mein Vater und mein Großvater bekamen dies aber mit. Opa sagte zu meiner Mama: ,Mach‘ dir keine Sorgen. Ich nehme das Kind zu mir.“ Und so war es dann auch. „Mit acht Wochen brachte man mich zu meinem Opa.“

Süß: Christina als Kleinkind.
Süß: Christina als Kleinkind.

Bei ihrem Großvater hatte es Christina gut. „Er war für mich beides, Mama und Papa.“ Die Wochenenden verbrachte das Mädchen immer bei seinen Eltern. „Mama war eine gute Mutter. Sie wollte mich zurückhaben und kämpfte um mich. Aber Opa wollte mich auf keinen Fall verlieren.“ Als Christina sieben Jahre alt war, holten sie die Eltern ganz zu sich. „Ich vermisste Opa. Deshalb lief ich zu Fuß zu ihm, er wohnte 20 Kilometer entfernt. Da wussten meine Eltern: Das Kind muss wieder zum Opa.“ Die 34-Jährige nestelt an ihren Haaren. Dann sagt sie verhalten in den Raum hinein: „Bis zum Alter von 16 Jahren ging es mir sehr gut. Ich war verwöhnt worden. Aber dann starb mein Großvater. Danach fing das schwere Leben an.“

Christina wuchs behütet auf.
Christina wuchs behütet auf.

Christina zog zu ihrer Schwester, die in der Stadt lebte. „Ich habe das Gymnasium fertiggemacht.“ Die junge Frau lernte einen Mann kennen und begab sich in eine Beziehung. „Ich suchte Schutz.“ Durch ihren Freund kam sie in gefährliche Kreise. Je länger die Beziehung dauerte, desto besitzergreifender wurde ihr Partner. „Ich fühlte mich kontrolliert.“ Nach einer Auseinandersetzung, bei der ihr Freund sie schlug, versteckte sich Christina bei ihrer Schwester im Dorf. „Aber er fand mich und drohte mir, dass er mich umbringen würde. In der Nacht fuhr er mit dem Auto vor unserem Haus auf und ab.“ Christina hatte Angst um ihr Leben. „Mir war klar, dass ich für eine gewisse Zeit untertauchen muss.“ Sie kontaktierte eine Freundin, die in Vorarlberg lebte. „Diese versprach, mich aufzunehmen.“

Christina und ihr Flirt mit der Kamera.
Christina und ihr Flirt mit der Kamera.

Am 28. März 2009 traf Christina, damals 20 Jahre alt, in Vorarlberg ein. „Geplant war, dass ich ein paar Monate bleibe und dann zurück nach Rumänien gehe, um Design zu studieren.“ Aber es kam anders als geplant. „Ich verliebte mich in die Sicherheit dieses Landes.“ Christina nahm verschiedene Jobs an, sie arbeitete unter anderem als Aufräumerin, Barfrau und Kellnerin. Bei einem Heimatbesuch im August 2009 vermisste sie die Sicherheit, die ihr Österreich vermittelte. „Nach zwei Wochen in Rumänien bekam ich panische Angst. Mir wurde klar, dass ich hier nicht mehr leben kann. Ich wollte in einem Land leben, in dem die Polizei etwas zu sagen hat.“ Mit Freude kehrte die Rumänin nach Vorarlberg zurück. Inzwischen waren auch einige ihrer Geschwister ins Land gekommen. Als jedoch eine weitere Beziehung zu Ende gegangen war, brach Christina im Jahr 2014 ihre Zelte in Vorarlberg ab und ging nach Deutschland. „Ich wollte neu anfangen und bekam einen Job in einer Diskothek.“

Christina zeigt sich von ihrer schönsten Seite.
Christina zeigt sich von ihrer schönsten Seite.

Der türkischstämmige Diskotheken-Betreiber verliebte sich in die hübsche Rumänin und schon bald waren die beiden ein Paar. Aber auch diese Beziehung endete in einer Katastrophe. „Einmal schlug er mich so fest, dass ich dachte, dass ich sterben muss.“ Nach dem Übergriff flüchtete sie nach Vorarlberg. „Ich war traumatisiert und nahm psychologische Hilfe in Anspruch.“

Nachdem sie sich wieder halbwegs gefangen hatte, begann sie im Gastgewerbe zu arbeiten. 2015 lernte die Rumänin ihren jetzigen Ehemann kennen, einen Projektmanager. Diesem lag daran, dass sie ihren eigenen Weg geht und bestärkte sie in ihren Plänen. Christina wollte sich zur Kosmetikerin ausbilden lassen. Sie träumte von einem eigenen Kosmetiksalon und vertraute diesbezüglich auf Gott. „Wenn Gott es will, passiert es. Wenn nicht, nicht. Er entscheidet, was mit uns passiert.“

Christina arbeitet gern als Kosmetikerin. "Der Beruf ist mein Leben", sagt sie.
Christina arbeitet gern als Kosmetikerin. "Der Beruf ist mein Leben", sagt sie.

Die Ausbildung in der Privatschule in der Schweiz kostete einige Tausend Franken, Geld, das sie nicht auf der hohen Kante hatte. „Ich habe ein Jahr gespart. Ich verzichtete auf alles, kaufte kein Gewand mehr und rauchte weniger.“ 2018 konnte sie dann tatsächlich mit der achtmonatigen Ausbildung beginnen. Jetzt hieß es: lernen und nochmals lernen. Die Abschlussprüfungen meisterte Christina souverän. „Eine Lehrerin sagte zu mir, dass sie noch nie eine Studentin gehabt hätte, die so schnell gelernt hätte wie ich.“

Christina behandelt eine Kundin.
Christina behandelt eine Kundin.

Im Jahr 2022 konnte die gläubige Frau nach einigen Anlaufschwierigkeiten ihren eigenen Kosmetiksalon in Dornbirn („Glam Beauty Pub“) eröffnen. „Gott gab mir die Kraft, es zu schaffen.“ Christina gefällt ihre Arbeit sehr, ja mehr noch. „Der Beruf ist mein Leben.“ Der Glaube an Gott macht die Kosmetikerin stark. „Wenn man das Herz für Gott aufmacht, merkt man, dass das Leben gar nicht mehr so schwer ist.“

Christina ist erst 34 Jahre alt, aber manchmal fühlt sie sich viel älter, weil sie schon so viel erlebt hat. „Alles, was im Leben passiert, macht uns stark und formt uns zu einem besseren Menschen. Negatives muss passieren, damit wir reifen und emphatischer werden. Nur wer selbst geweint hat, bringt für andere Mitgefühl auf.“