Welchen „Pickerl-Tag“ wählen Sie?

Vorarlberg / 14.01.2024 • 11:00 Uhr
Welchen „Pickerl-Tag“ wählen Sie?
„Das hat mir der Ombudsmann geraten!“ VN-Karikaturist Dieter Zehentmayr brachte die Verwirrung auf den Punkt – inklusive eines kreativen Lösungsansatzes.

Vor 50 Jahren wurde zum Sparen von Benzin der „autolose Tag“ eingeführt.

Bregenz „Rohöl um 17 Prozent teurer!“ Diese Schlagzeile in den VN vom 18. Oktober 1973 ließ bereits nichts Gutes erahnen. Doch was war geschehen? Der israelisch-arabische Jom-Kippur-Krieg stürzte die Welt in eine Ölkrise. Die OPEC-Länder drehten den Ölhahn zu. Die Versorgung wurde knapp, die Preise für Benzin- und Heizöl explodierten. Doch die westliche Politik handelte: Deutschland führte als Reaktion darauf im November 1973 ein Sonntagsfahrverbot ein. Österreich ging einen anderen Weg. Man entschied sich hierzulande, ein Tempolimit von 100 km/h einzuführen. Doch das war noch nicht alles.

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Reger Andrang herrschte bei der Ausgabe der Sondergenehmigungen bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz. Oskar Spang, Stadtarchiv Bregenz

Ab dem 14. Jänner 1974 galt der „autolose Tag“. Die Fahrzeuge wurden mit einem Aufkleber für den jeweils gewünschten Wochentag auf der Windschutzscheibe gekennzeichnet. Der Tag musste zusätzlich am Rand des Zulassungsscheins eingetragen werden. Es gab auch zusätzliche „S-Plaketten“, also Sondergenehmigungen, mit denen nur der Zulassungsbesitzer für eine gewisse Zeitspanne und Wegstrecke auch am autofreien Tag fahren durfte. Bei Nichtbefolgung setzte es Strafen zwischen 500 und 30.000 Schilling.

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Auszug aus den VN vom 12. Jänner 1974.

Die VN fragten am 12. Jänner 1974 nach, welchen „Pickerl-Tag“ die Vorarlberger gewählt hatten. Werner Zint aus Bludenz entschied sich für den Dienstag, da er an diesem Tag weder außerordentlichen Termine hätte noch irgendwelche andere Besorgungen machen müsste. Rosmarie Keßler aus Nenzing wählte den Donnerstag, da sie ihr Auto an diesem Tag bereits zuvor immer in der Garage stehen hätte lassen und sowieso mit dem Zug zur Arbeit gependelt wäre. Der Versicherungsangestellte Robert Artzmann aus Wolfurt beantragte eine S-Plakette, um Kundenbesuche durchführen zu können. Der Schwarzacher Alfred Haselwanter beantragte diese ebenfalls, argumentierte allerdings mit unregelmäßigen Arbeitszeiten. Die Nachfrage, ob die Aktion an sich sinnvoll sei, wurde unisono mit „Nein“ beantwortet.

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VN-Bericht vom 14. Jänner 1974.

In den VN am 15. Jänner 1974 war bereits ein Resümee der ersten Plaketten-Kontrollen zu lesen. Fazit: Die beliebtesten autofreien Tage waren der Dienstag und der Mittwoch. Auffallend viele Kraftlenker hatten ihren gewählten Tag nicht in den Zulassungsschein eingetragen. Scheinbar herrschte die unbegründete Angst vor, dass man sich mit einem manuellen Eintrag in die Zulassung der Dokumentenfälschung strafbar mache. Auf Anfrage, wie man mit so „lässigen Autofahrern“ umgeht, ließ die Gendarmerie wissen: „Wir haben keine Richtlinien erhalten, wo Toleranz geübt werden soll.“

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VN-Bericht vom 13. Februar 1974.

Nach fünf Wochen war der Spuk allerdings vorbei. In den VN war am 13. Februar 1974 zu lesen, dass genug Benzin für die Sommer-Spitze gespart wurde und es durch Tempo 100 weniger Tote im Straßenverkehr gegeben habe. Der „autolose Tag“ wurde am 16. Februar 1974 außer Kraft gesetzt, es durfte aber vorerst weder die Plakette entfernt noch die im Zulassungsschein erfolgte Eintragung durchgestrichen werden. Man kann ja nie wissen, was das Morgen bringt …