Eine junge Tibeterin auf dem Weg zur Matura: “Hier kann ich in Freiheit leben”

Tenzin ist eine von 13 neuen START-Stipendiaten. Ihr großer Traum ist es, Medizin zu studieren.
Feldkirch “Hier kann ich in Freiheit leben und tun, was ich möchte”, sagt die 17-jährige Tenzin und nippt an ihrem Milchkaffee. Sie stammt aus Tibet und ist vor Jahren wie viele andere mit ihrer Familie vom Hochland nach Indien geflohen. Im Sommer 2017 kam sie mit ihrer Mama nach Vorarlberg.

Die Jugendliche verbindet mit Tibet weit mehr als den Dalai Lama – das geistliche Oberhaupt. Dort hat sie ihre Wurzeln. Es ist aber auch ein Gebiet, das von China mit harter Hand regiert wird und in dem die Tibeter zur Minderheit werden. Der Buddhismus wird unterdrückt. Menschrechtsexperten befürchten, dass tibetische Kultur und Sprache systematisch verbannt werden. Viele Tibeter sind nach Nepal oder eben Indien geflohen.

“In Indien habe ich in der Schule Tibetisch und Englisch gelernt”, erzählt Tenzin. Für sie ist es wichtig, Muttersprache, Kultur und Traditionen nicht zu vergessen. Kontakt nach Tibet gibt es keinen.
Aus der Geschichte
Das buddhistisch geprägte Hochland Tibet in Zentralasien wurde nach der Besetzung durch die Volksrepublik China im Oktober 1950 in mehrere Provinzen aufgeteilt. 1959 musste der 14. Dalai Lama als höchster geistlicher und weltlicher Führer im Zuge eines tibetischen Aufstands gegen die Besatzer ins indische Exil fliehen. Danach begann China mit der Enteignung von Tausenden Klöstern und der Unterdrückung des Buddhismus in Tibet.
Mittlerweile lebt die 17-Jährige mit ihren Eltern in einer Wohnung in Bludenz. Ihr Vater hat eine Pflegeausbildung absolviert und arbeitet in einem Seniorenheim. Ihre Mama verdient Geld als Reinungskraft. “Und ich möchte Ärztin werden”, erläutert sie ihren Traum vom Medizinstudium und lächelt.
Aktuell besucht die junge Tibeterin ein Gymnasium in Feldkirch. Der Weg dorthin war für sie allerdings kein einfacher. Zuerst lernte sie zwei Jahre lang in der Schule hauptsächlich Deutsch. “Das hat mir natürlich geholfen. Aber dafür hatte ich zu Beginn in anderen Fächern Probleme.”

Die Mittelschule hat sie trotzdem gemeistert. Da sie das Fach Biologie so begeisterte, hat sie am Gymnasium den naturwissenschaftlichen Zweig und Latein gewählt. “Im ersten Jahr hatte ich noch eine Wiederholungsprüfung. Inzwischen habe ich viele Bücher gelesen und mich sehr verbessert”, erzählt sie über ihren schulischen Werdegang und lächelt. Ihre Noten sind gut.
Mit Gewalt kann man keine Probleme lösen.
Tenzin, START-Stipendiatin
Viele Stunden verbringt Tenzin in Bibliotheken und beim Lernen. Und genauso wie gewaltfreier Umgang gehört Achtsamkeit für sie selbstverständlich zum Alltag. “Mit Gewalt kann man keine Probleme lösen”, ist sie sich sicher und wirkt dabei völlig in sich geruht. Meditieren ist genauso wie Fotografieren, Videos erstellen, Wandern sowie Singen und Tanzen ein fixer Bestandteil ihres Lebens.
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Vor allem der Hip-Hop hat es ihr angetan. Dort brillierte sie gemeinsam mit Freundinnen auch schon bei Auftritten auf der Bühne. “Als Nächstes möchte ich auch Walzer tanzen lernen”, erzählt sie. Zudem möchte sie sich im Skifahren ausprobieren. Und auch wegen der Führerscheinprüfung macht sie sich schon schlau.
START-Vorarlberg
START ist ein Stipendienprogramm für engagierte Schüler:innen mit Migrationsgeschichte.
Das Programm bietet finanzielle Unterstützung, Workshops und Seminare, Beratung und Begleitung in allen Bildungsfragen, Kultur- und Freizeitaktivitäten – auch am Wochenende und online.
Bei START werden Stipendiaten individuell auf dem Weg zur Matura gefördert. Der Verein ist dazu ständig auf der Suche nach Praktikumsplätzen und Nachhilfe- Angeboten.
27 Stipendiaten sind derzeit im Programm. Hinzu kommen 10 START-Friends
122 junge Menschen haben das Programm bereits absolviert
Weitere Infos unter: https://www.start-stipendium.at/
Auf dem Weg zur Matura wird Tenzin seit Herbst von START-Vorarlberg unterstützt. Sie ist eine von 13 neuen Stipendiaten in dem Bildungsprogramm für junge Menschen mit Mitgrationsgeschichte. “Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung”, sagt Tenzin und meint damit etwa Nachhilfestunden und die Möglichkeit, kulturelle Veranstaltungen wie Theatervorstellungen besuchen zu können. “Ich fühle mich sehr wohl in Vorarlberg und dazugehörig.”
Auch ihr Thema für die sogenannte Vorwissenschaftliche Arbeit, die sie bald im Rahmen der Matura angehen wird, steht schon fest: “Buddhismus in Tibet.”