Künftige Lehrer: „Unser Bildungssystem liegt auf der Intensivstation”

Das Lehrerstudium soll verkürzt werden. Warum das nicht bei allen Studierenden gut ankommt.
Schwarzach Erst vor acht Jahren wurde die Lehrerausbildung in Österreich auf sechs Jahre verlängert. Nun soll das Studium wieder gekürzt werden, nämlich auf fünf statt sechs Jahre. So wird das Studium sowohl für die Primarstufe (Volksschule) als auch die Sekundarstufe (AHS, BMHS, Mittelschule) künftig aus drei Jahren Bachelor- (derzeit vier Jahre) und zwei Jahren Masterausbildung bestehen, kündigte Bildungsminister Martin Polascheck (ÖVP) kürzlich an. Damit soll dem Personalmangel entgegengewirkt werden.
Diese Pläne stoßen allerdings nicht überall auf Zustimmung. Der Grund: Für all jene, die seit 2016 studieren, bedeutet dies, dass sie ein Jahr länger studiert haben, dafür aber nichts bekommen. Eine Gruppe Vorarlberger Lehramtsstudierender wandte sich nun in einem offenen Brief an den Bildungsminister. Grundsätzlich begrüße man die Verkürzung, aber: „Was passiert mit unserer Generation, die derzeit die längere Ausbildung macht? Wir sind diejenigen, die durch die Finger schauen“, beschwert sich Florian Prirsch (25), der mit Johannes Grabher (24) zu den Verfassern des Briefs gehört. Beide studieren derzeit Mathematik und Geschichte an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg und haben noch die Masterarbeit vor sich, bis sie das Studium abgeschlossen haben.
Forderung nach Kompensation
Grundsätzlich sei die Verkürzung der Ausbildung begrüßenswert. „Aber dieses eine zusätzliche Jahr, das wir durchlaufen, muss unserer Meinung nach in irgendeiner Art kompensiert oder abgegolten werden”, sagt Grabher. Die längere Studiendauer habe finanzielle und berufliche Nachteile für die betroffenen Jahrgänge, etwa durch den Verlust eines Jahresgehalts und der fehlenden Pensionsanrechnung. Sie schlagen vor, dies durch finanzielle Entschädigung oder durch Anrechnung des Jahres auf die Pensionsansprüche zu kompensieren. „Es ist unfair, dass zwei Ausbildungsgänge, einer davon ein Jahr länger, am Ende gleichwertig sind”, fügt Florian Prirsch hinzu.

Mangelnde Wertschätzung
Sie argumentieren, dass die Antwort auf den Lehrermangel in Österreich nicht allein in einer verkürzten Studiendauer liegen kann. „Es müssen umfassendere Maßnahmen ergriffen werden. Dazu zählt eine verbesserte Bezahlung und ein gesteigertes gesellschaftliches Ansehen des Lehrerberufs”, unterstreicht Prirsch. Mit dem offenen Brief wollen sie eine Debatte über die Wertschätzung und gesellschaftliche Anerkennung der Lehrerausbildung in Österreich anstoßen.

Oft seien bereits Lehramtsstudierende mit Frustrationen und Herausforderungen konfrontiert, die von bürokratischen Hürden bis hin zu unzureichender Unterstützung reichen. Herausforderungen wie die Pensionierungswelle der Babyboomer seien vorhersehbar gewesen, trotzdem seien die Studienbedingungen erschwert worden: „Wir fühlen uns von der Politik zu wenig ernst genommen. Generell kann man sagen, dass unser Bildungssystem derzeit auf der Intensivstation liegt”, sind sich beide einig, dass es einer Reform bedarf, die über strukturelle Änderungen wie die Verkürzung der Studiendauer hinausgeht.
Die Studierenden hoffen nun auf eine konstruktive Antwort von der Bundesregierung und setzen sich für einen Paradigmenwechsel ein, um langfristige Lösungen zu finden. Diese sollen sicherstellen, dass ihre und künftige Lehrergenerationen unter besseren Bedingungen lehren und lernen können.
Der Offene Brief im Wortlaut



