Hanno Loewy

Kommentar

Hanno Loewy

Bankrott

Vorarlberg / 25.01.2024 • 08:00 Uhr

Für morgen hat Bundeskanzler Nehammer einen großen Tag angekündigt. In Wels will er einen Plan für Österreich verkünden – und damit es auch jeder merkt, hat er ein paar Pointen schon vorab verraten.

Das Gendern will er verbieten. Das wird den Menschen in diesem Land sicher helfen, mit ihrem inflationsgeplagten Gehalt besser über die Runden zu kommen, oder klimafreundlicher mit öffentlichem Verkehr zur Arbeit und zurück. Es wird die überall spürbaren Bildungsdefizite ausgleichen und die österreichischen Universitäten aus den hinteren Rängen nach vorne katapultieren. Es wird die Landwirtschaft, den Tourismus und uns alle vor der Klimakatastrophe bewahren und die mangelhafte Kleinkindbetreuung ausgleichen. Und natürlich den Fachkräftemangel in Österreich beheben, von den Pflegeberufen und der Gastronomie bis ins oberste Management, wo es ja offenbar auch immer wieder an Kompetenzen mangelt. Auch die immer weiter wachsende Schere zwischen den obersten Einkommen und dem Rest der Welt wird man durch solche einschneidenden Maßnahmen sicher wieder verringern können.

Und falls Zweifel daran herrschen: Als wichtigste Maßnahme kündigt der Türsteher der Nation Steuersenkungen an. Das kommt immer gut. Und ist doch nichts anderes als die radikalste Bankrotterklärung, zu der Politiker:innen fähig sind. Gleich welchen Geschlechts.

Das zentrale Wahlversprechen Nehammers ist leicht zu halten. Er verspricht uns allen, dass ihm zu den realen Problemen, mit denen Menschen in diesem und nicht nur diesem Land zu kämpfen haben, nichts Neues einfällt. Dass die Politik, die er vertritt, darin besteht, keine Politik zu machen. Zuzuschauen. Und das, was an Geld noch übrig bleibt, möglichst phantasielos mit der Gießkanne zu verteilen. Wen soll es noch wundern, wenn Politikverdrossenheit und demokratiefeindlicher Populismus um sich greifen – die Vorstellung, dass es uns allein schon besser geht, wenn wir uns gegen irgendwelche „Anderen“ abschotten. Hauptsache, man selber muss den kleiner werdenden Kuchen mit weniger Leuten teilen.

In Deutschland haben am Wochenende fast eine Million Menschen gegen die Vertreibungsfantasien rechtsextremer Parteien und Politiker demonstriert. Denn auch dort bietet die Politik ein trauriges Bild von Gezänk und wachsendem Populismus. Doch die Zivilgesellschaft scheint immerhin aufzuwachen. Morgen will Nehammer in Wels seinen „Plan“ erklären. Und in Wien wird stattdessen demonstriert. Ob sich womöglich die österreichische Zivilgesellschaft auch wieder zu Wort meldet?

Hanno Loewy

hanno.loewy@vn.at

Hanno Loewy ist Direktor des ­Jüdischen Museums in Hohenems.