Bezahlkarten und Pullfaktoren
Viele Politiker in Deutschland wie in Österreich erhoffen sich durch die Einführung einer Bezahlkarte einen Rückgang der Asylwerberzahlen. Die Betroffenen sollen mit der Karte ein bescheidenes Leben finanzieren können, aber kein Bargeld abheben, mit dem sie, so manche Stimmen, ihre Schulden bei Schleppern begleichen oder ihre Angehörigen im Heimatland durch Überweisungen unterstützen. Dadurch, so die Theorie der Bezahlkarte, würde das Land weniger attraktiv für Asylsuchende, wodurch, wie es neudeutsch heißt, ein Pullfaktor reduziert werden könnte.
„Die Politik sollte daher statt in Bezahlkarten in qualitätsvolle und zügige Asylverfahren investieren.“
Pullfaktoren ziehen die Menschen aus dem globalen Süden nach Europa, insbesondere nach Österreich, und müssen daher, wenn man Migration besser steuern will, tatsächlich abgebaut werden. Auf die positiven Eigenschaften unseres Landes wollen wir aber ungern verzichten: Jobaussichten, Bildungschancen, Gesundheitsversorgung. Es gibt nur wenige Kriterien, die bis zu einem gewissen Rahmen tatsächlich steuerbar sind. Dazu gehören die Sozialleistungen für Asylsuchende, die sogenannte Grundversorgung. Allerdings darf die Grundversorgung die Grenzen dessen, was ein Mensch braucht, um in Österreich leben zu können, nicht unterschreiten. Schon heute wird ein guter Teil, beispielsweise die Unterkunft, als Sachleistung gewährt. Der einzige Betrag, der nicht zum Lebensunterhalt benötigt wird, ist das Taschengeld in der Höhe von 40 Euro im Monat. Was die Bezahlkarte hier ausrichten soll, bleibt schleierhaft. Mit diesem Betrag konnte eine Person schon bisher weder ihre Schlepperschulden bezahlen noch besonders hohe Geldbeträge ansparen.
Die Politik sollte bei den tatsächlichen Pullfaktoren ansetzen: Die Asylverfahren dauern zu lange, weil die Behörden überlastet sind und es deshalb häufig auch an der Qualität der Entscheidungen mangelt, die dann wiederum von den Gerichten korrigiert werden. Außerdem gelingt es den Betroffenen recht leicht, durch simple Tricks wie ständige Wohnsitzwechsel und immer wieder neue Anträge die Außerlandesbringung über Jahre zu verzögern. Wer die einschlägigen Entscheidungsdatenbanken liest, staunt, was alles möglich ist.
Die Politik sollte daher statt in Bezahlkarten in qualitätsvolle und zügige Asylverfahren investieren. Damit würden wir weder unsere rechtsstaatlichen noch sozialen Standards aufgeben und jenen, die Schutz brauchen, diesen auch tatsächlich gewähren.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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