Sein Herz schlägt für Reptilien

Vorarlberg / 27.02.2024 • 17:10 Uhr
Gekommen und geblieben
Øystein Julsrud führt in Lauterach ein Fachgeschäft für Aquaristik und Terraristik. HRJ

Vor zehn Jahren ist Øystein Julsrud in Vorarlberg gelandet. Und will nicht mehr weg.

LAUTERACH Terrarien und Aquarien, wo man hinschaut. Unzählige Regale, gefüllt mit Zubehör für die Gestaltung der Lebensräume von Reptilien und Fischen sowie allerlei Futtersorten, auch lebendige. Heuschrecken etwa, und andere Insekten.

Gekommen und geblieben
Der chinesische Nackthund Claude begleitet Øystein Julsrud seit er in Vorarlberg angekommen ist.

Im 4-Länder-Zoo ist es momentan ruhig. Chef Øystein Julsrud reinigt gerade ein Aquarium. Jetzt legt er die Utensilien beiseite, trocknet die Hände ab, führt an den Stehtisch ganz hinten im Geschäft und beginnt zu erzählen, warum er Vorarlberg zu seiner neuen Heimat gemacht hat.

„In meinem Leben ist es nie so gekommen, wie ich es geplant habe“, sagt der 38-jährige Reptilien-Experte, den es vor zehn Jahren hierher verschlagen hat. Er kommt aus Tromsø, einer rund 80.000-Einwohner-Stadt, ziemlich weit oben im Norden Norwegens. Geboren 1985, wächst er mit einem Bruder und den Eltern auf. Der Vater ist Arzt, die Mutter Krankenpflegerin.

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Zu diesem Blauzungenskink aus Australien pflegt Øystein Julsrud eine besondere Beziehung. HRJ

15-jährig beginnt Øystein eine Ausbildung zum Elektrotechniker, bricht nach einem Jahr ab und macht die Matura. Vier Jahre ist er für einen Sicherheitsdienst tätig. Danach arbeitet er als Gefängnisaufseher. Doch die Belastung ist zu stark. Er hört auf und lässt sich zum Hubschrauberpiloten ausbilden. Mit dem Pilotenschein in der Tasche kauft er sich ein altes Wohnmobil und bereist Europa. „Ich habe Tromsø im November 2012 verlassen“, erzählt Øystein, „war in Schweden, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien. Meine letzte Station war Österreich.“ Überall schaut er sich nach Arbeit um, findet nichts Passendes, fährt weiter.

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Der Reptilien-Experte hat auch ein Herz für Insekten – nicht nur als Reptilienfutter. HRJ

„Ich war erstaunt“

Im Februar 2014 landet er in Bludesch. Dort gibt es nämlich die Firma Wucher Helikopter. „Ich fragte bei Wucher wegen eines Jobs. Leider brauchten sie zu der Zeit keinen neuen Piloten.“ Dennoch: Vorarlberg gefällt dem Norweger. Er bleibt. Besorgt sich eine Wohnung. Lernt Deutsch. Bei einem Besuch in einem Zoofachgeschäft in Feldkirch erfährt er, dass man in Österreich Reptilien als Haustiere halten darf: „Ich war erstaunt. In Norwegen ist das bis auf ganz wenige Ausnahmen verboten.“ Und Øystein, schon immer fasziniert von Reptilien, hat eine Idee: Er möchte chinesische Seidenraupen züchten – „das beste Futterinsekt für Reptilien“. Doch realisieren kann er die Idee nicht: „Bei der Bezirkshauptmannschaft machte man mir klar, dass das nicht so einfach geht. Denn Insektenzucht gilt hier als Landwirtschaft.“ So beschließt Øystein, ein Fachgeschäft für Reptilien mit dem Namen Special Exotica aufzumachen. Ein Lokal findet er in Dornbirn im Schwefel. Dort begegnet er an einem Tag im Jahr 2015 Jennifer, einer schon länger in Vorarlberg lebenden jungen Deutschen. „Jennifer war als Kundin da. Wir kamen ins Gespräch und wir waren uns auf Anhieb sympathisch.“ Jennifer schaut daraufhin mehrmals pro Woche vorbei, und aus Sympathie wird Liebe. Seit November letzten Jahres ist das Paar verheiratet.

2019 läuft der Mietvertrag in Dornbirn aus. Øystein eröffnet in Bregenz, im Forum-Hochhaus, den 4-Länder-Zoo – ein Fachgeschäft für Aquaristik und Terraristik. Von da an ist Jennifer bei ihm angestellt.

„In meinem Leben ist es noch nie so gekommen, wie ich es geplant habe.“

Øystein Julsrud, Reptilien-Experte

Zwei Jahre später zieht Øystein mit seinem Unternehmen erneut um. Diesmal nach Lauterach ins Gebäude des Möbelhauses XXXLutz. Doch eine Woche vor der geplanten Eröffnung passiert es: „Am Morgen des 3. Dezember 2021 rief der Geschäftsführer von XXXLutz an und teilte uns mit, dass unser Laden unter Wasser stehe.“ Ein technischer Defekt in der Sprinkleranlage hat es stundenlang im Geschäft regnen lassen. „In sozialen Medien informierte ich, dass die Eröffnung des 4-Länder-Zoos wegen des Wasserschadens verschoben werden muss. Daraufhin bekam ich so viele aufmunternde Nachrichten. Das war berührend“, erinnert sich Øystein. „Und dann, am Tag der Eröffnung, standen die Kunden Schlange.“

Gekommen und geblieben
Während Øystein die schwarze Uruguay Vogelspinne vorstellt, kackt sie ihm auf die Hand. HRJ

Claude tapst auf Øystein zu und schmiegt sich an seine Beine. Der chinesische Nackthund ist seit zehn Jahren sein treuer Begleiter. „Ich habe Claude genommen, weil ich einen Hund wollte, der so komisch ausschaut wie ich.“ Damit meint Øystein in erster Linie seine Glatze. Bloß, Claude hat sich irgendwann ein Fell zugelegt. Ein dünnes, etwas ausgefranstes, aber immerhin.

Kühler und distanzierter

Wie fühlt man sich als Norweger in Vorarlberg? „Für mich war es einfach, mich hier einzuleben“, konstatiert Øystein Julsrud. Ein Beispiel: Im Vergleich zu seinem Herkunftsland sei das Klima hier viel angenehmer. Die Winter in Norwegen, besonders im Norden, sind sehr lang und sehr kalt. „Und die Norweger sind kühler und distanzierter als die Österreicher“, nennt er ein weiteres Beispiel.

Heimweh? „Überhaupt nicht! Ich fühle mich hier mehr daheim als in Tromsø, auch wenn es hier kein Meer gibt.“ Er vermisse nichts, betont er, „gar nichts“.