Julia Ortner

Kommentar

Julia Ortner

Gewalt gegen Frauen betrifft uns alle

Vorarlberg / 04.03.2024 • 09:20 Uhr

Fünf Frauen, die an nur einem Tag in Wien ermordet wurden, eine 51-jährige Frau mit ihrer 13 Jahre alten Tochter und drei junge Frauen in einem Bordell. Oder eine zwölfjährige Wienerin, die über Monate hinweg von insgesamt 17 Jugendlichen sexuell missbraucht worden sein soll. Alleine die vergangenen Tage dokumentieren auf grauenvolle Art, welcher Gewalt bis hin zum Mord Frauen immer wieder ausgeliefert sind. Unter den mutmaßlichen Tätern der genannten Fälle finden sich österreichische, syrische, türkische Staatsbürger, Personen mit einem italienischen, bulgarischen oder serbischen Pass und ein Asylwerber aus Afghanistan.

In den Anti-Gewalttrainings der Männerberatung sitzt der Arzt neben dem Installateur oder dem Mann ohne Job.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen betrifft uns alle, die ganze Gesellschaft. Sie zieht sich statistisch durch alle sozialen Schichten und Berufsgruppen. In den Anti-Gewalttrainings der Männerberatung sitzt der Arzt neben dem Installateur oder dem Mann ohne Job. Männer aus patriarchalischen Strukturen haben oft ein anderes Frauenbild, als man es sich in einer aufgeklärten Gesellschaft vorstellt. Doch wie mir Alexander Haydn, Psychotherapeut und Vorstandsmitglied der Wiener Männerberatung, einmal im Interview erklärt hat:  Gewalt habe vielfach mit patriarchalen Strukturen zu tun, unabhängig von der Nationalität. Der große Teil der Täter sind (Ex-)Partner, männliche Bekannte oder Familienmitglieder.

Männer als Verbündete

Und im Extremfall eskalieren die Übergriffe in einem Femizid, einem Frauenmord. Aber das problematische Verhalten in Beziehungen fängt schon viel früher an: finanzielle Abhängigkeit, psychischer Druck, Herabwürdigung, bis hin zu körperlichen oder sexuellen Übergriffen. Laut einer Befragung der Statistik Austria von 2022 hat jede dritte Frau in Österreich ab ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt. Das heißt: Natürlich sind nicht alle Männer Täter, aber es gibt zahlreiche Täter unter uns. Laut Expertinnen und Experten verbindet viele dieser Männer, dass sie nie gelernt haben, Konflikte ohne Gewalt zu lösen.

Neben Maßnahmen wie besserer Vernetzung und Koordinierung aller Gewaltschutz-Einrichtungen und mehr Präventionsarbeit sind jetzt all die Männer ohne Frauenproblem gefragt, als wichtige Verbündete. Sie können im eigenen privaten und beruflichen Umfeld genau hinschauen und Bewusstsein schaffen: Also Buben vorleben, dass alle gleich viel wert sind und dass man Probleme nicht mit Schlägen löst; einem Freund deutlich sagen, dass es nicht in Ordnung ist, wenn er seine Partnerin anbrüllt; nicht peinlich berührt wegschauen, wenn ein Kollege eine Kollegin belästigt. Ohne die Basis von Wertschätzung und Anerkennung für die weibliche Hälfte der Menschheit ist die alltägliche Gewalt nicht zu besiegen.

Julia Ortner

julia.ortner@vn.at

Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und arbeitet für den ORF-Report.