Wo ist der Prinz, wenn man ihn braucht?

Vorarlberg / 18.03.2024 • 10:30 Uhr
Wo ist der Prinz, wenn man ihn braucht?

Bevor mich jemand verpfeift, gehe ich lieber selber in die Geständnis-Offensive: Vorgestern hat eure Autorin alles gemacht, wovon sie in dieser Kolumne sonst vollmundig abrät: 1. einen riesigen Haufen Pflanzen ausgerissen, 2. die Wiese ganz kurz gemäht, 3. an einem Sonntag. Ich schäme mich ein bisschen, aber nicht zu sehr, ich kann alles erklären.

Denn bei den Pflanzen in Punkt 1 handelte es sich um Wilde Brombeeren, und ja, darüber ist an dieser Stelle seit Jahren immer wieder die Rede, weil warum? Weil die Brombeeren hartnäckig versuchen, mein Grundstück samt meinem Haus und alles was sich darinnen befindet, aufzufressen.

Bei mir lagern hinter dem Schuppen Plattensteine, mit denen man ein schönes Weagle verlegen könnte.

Im Waldviertel, also in meiner Gegend gibt es etwas, das kenne ich aus dem Ländle nicht, jedenfalls nicht in meiner Verwandtschaft: es gibt ein Hinter-dem-Haus, und hinter dem Haus lagert man Sachen, von denen man sicher ist, dass man sie noch mal brauchen wird: Alte Ziegel und Dachziegel, die noch gut sind, rostige Rohre, Tore, Stangen und Maschinenteile, alte Autoreifen und kaputte Autos, solche Sachen. Bei mir lagern hinter dem Schuppen Plattensteine, mit denen man ein schönes Weagle verlegen könnte, wenn man es nur täte, die dritte Schubkarre, die nur ein neues Rad brauchen würde, und die große Aluleiter.

Wie ich am Sonntag die Leiter gebraucht hätte, um eine vorbildlich leise Sonntagsarbeit zu verrichten, war von all dem nichts mehr da, weil die Wilden Brombeeren über den Winter alles gefressen hatten. So ähnlich wie im Dornröschen-Märchen, allerdings schreitet bei mir leider nie ein Prinz zur Rettung. Der trug vermutlich wie ich hohe Stiefel, aber hatte er auch zwei Paar Arbeitshandschuhe übereinander an und eine Rosenschere sowie eine Astzange dabei? Ich habe nachgelesen, hatte er nicht, weil warum: Als er sich der Dornenhecke näherte, „waren es lauter große schöne Blumen, die thaten sich von selbst auseinander und ließen ihn unbeschädigt hindurch“.

Tja, leider, bei mir war auch das nicht so. Ich zog mir also zwei Paar robuste Arbeitshandschuhe übereinander an und fing an, die Hecke zu beseitigen. Wie soll ich sagen: Es heat ka Höra ka. Bis in die Mitte der Wiese hatten sich die Brombeeren schon vorgearbeitet, ich riss alles aus und warf es auf die Feuerstelle, das wird ein schönes Osterfeuer. Aber die Wiese musste dann natürlich sofort kurz gemäht werden, damit das nicht alles komplett weiterverwildert, dann darf sie wachsen.

Zum Glück war letztes Wochenende keiner meiner näheren Nachbarn da, und der überüberübernächste mäht seine Wiese gern an lauen Sommerabenden um acht, wenn ich mit einem Glas Wein gemütlich vor dem Haus sitze. Es war eine Ausnahme, und ich glaube, wir sind quitt. Also, der Nachbar und ich, die Brombeeren sehen das fix anders.

Doris Knecht
doris.knecht@vn.at
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.