Das Phänomen
Frau Ammann hatte ihn schon länger im Auge, weil er anders ist, sagt sie. Wer ihm eine Weile zuhört, vergißt gleich den Tonnenschweren Namen der Partei, die ihm am Turnschuh klebt. Er betritt,im adrett einfachen, no na roten Pullover, mit seinem Baby vor der Brust, das Wahllokal, im selben Outfit auch die große Bühne und nochmal in Rot das Fernsehstudio, sieht aus wie ein harmlos gutmütiger Sozialarbeiter, der die Sorgen der Menschen kennt, ihre Sprache versteht und sie auch spricht, ohne in breitesten Dialekt zu verfallen. Wenn Frau Ammann nach gewissen Zeitgenossen die Fühler ausstreckt, kann ich meist nicht anders als mich auch schlau zu machen und komme meistens zum selben Ergebnis.
Wahrscheinlich weiß er, daß der Kapitalismus nicht nur Verwerfungen sondern auch Wohlstand gebracht hat.
Er wirkt geradlinig, kann sich auf eine sattelfeste Eloquenz verlassen, ohne den Intellektuellen herauszuhängen, obwohl er einer ist. Außerdem und nicht zuletzt ginge er auch als perfekter Schwiegersohn durch.Selbst der kühle Armin Wolf kann sich beim Interview in der ZIB 2 dem verhaltenen Charme des „sympathischen“ Kay Michael Dankl nicht entziehen. Seine sonoren Vokale plätschern unaufdringlich in die Kamera, wenn er sagt, was er denkt und seine politische Agenda auf klare Eckpfeiler zusammenstutzt.
Gibt’s hier ein Geheimnis oder liegt es auf der Hand? Frau Ammann meint Letzteres.
Er ist KEIN Politiker,im herkömmlichen Sinn, vielleicht ist es das?
Er tut auch nicht so als ob, weil er sich das „als ob“ nie antrainieren ließ, denn er pfeift auf Spindoktoren und Sprachtrainer, läßt sich offensichtlich auch kein Gran seiner Authentizität wegcoachen. Das spüren die Leute, das wache Wahlvolk,, das ihm auf Mund und Augen schaut, intuitiv. Die Sensoren der Wählerinnen sollte man nie unterschätzen, vor allem in Zeiten wie diesen, in denen das Vertrauen als wichtigste Währung im Politischen „Spiel“ inflationär geworden ist.
Von Ideologie ist kaum was zu spüren, wenn er spricht, obwohl der Parteiname genau das implizieren würde. Wahrscheinlich weiß er, daß der Kapitalismus nicht nur Verwerfungen sondern auch Wohlstand gebracht hat. Aber dieser verdammte Parteiname . . . hat sich wohl auch Armin Wolf gedacht : Kommunistische Partei Österreichs PLUS – klingt tatsächlich miserabel,angesichts der blutigen, grausamen 70 Jahre, in denen Karl Marxens Kapitalismus-Kritik in menschenverachtenden und gescheiterten Experimenten pervertiert wurde.
Dann zitiert er schlauerweise aber den Unternehmer und verstorbenen ÖVP Kanzler Josef Klaus :“Der Kapitalismus wird nicht für ewig bestehn“ und bestätigt ihn – als Historiker, glaube er, Klaus habe recht, und deshalb könne es nicht schaden den Kapitalismus samt seinem Credo „Geld regiert die Welt“ höflich auf alternative Konzepte zu hinterfragen.
Frau Ammann sieht in Dankl ein ähnliches Phänomen wie damals in Kaspanaze Simma, als er wie ein Messias samt Käseplatte in den Landtag einzog und noch etwas Kostbareres als Monstranz vor sich hertrug: eine Brise Wahrhaftigkeit.
Reinhold Bilgeri
reinhold.bilgeri@vn.at
Reinhold Bilgeri ist Musiker, Schriftsteller und Filmemacher, er lebt als freischaffender Künstler in Lochau.
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