Kulturschock
So weit ist es in der Debatte um eine „Leitkultur“ zum Glück noch nicht, dass ein eigenes Haus mit Garten dazu gezählt wird. Wer in diesem Zusammenhang das Schnitzel erwähnt, könnte ja auch auf diese Idee kommen. Zumal die Erhöhung der Eigentumsquote zu einem nationalen Ziel erklärt worden ist und hierzulande einmal das Ideal „Schaffa, schaffa, Hüsle baua“ gegolten hat.
Und zumal sich die Wirklichkeit immer weiter davon entfernt, was vereinzelt aber eher dazu führt, sich umso krampfhafter an sich Auflösendes zu klammern. Obwohl das Gegenteil davon angebracht wäre. Der Verein „KlimaVOR!“ hat gerade mit einem radikalen Vorstoß daran erinnert: „Keine Förderung mehr für Einfamilienhäuser“, lautete die VN-Schlagzeile dazu. Genauer: Es solle zu einem allmählichen Ausstieg aus der Förderung kommen, damit weniger Einfamilienhäuser gebaut werden und so Bodenverbrauch reduziert wird.
„Stark verdichtete Bauweise mag beklemmend klingen. Nur so bleibt jedoch Platz für möglichst viele(s).“
Wobei: Eine solche Maßnahme könnte sich bald erübrigen. Erstens: Bauen hat sich längst zu einer sozialen Frage entwickelt. Die Zeiten, in denen es für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer ohne Erbe leistbar war, sind vorbei. Das verschiebt sich zunehmend in einkommens- und vermögensmäßig höhere Schichten. Zweitens: Auch für sie werden die Flächen knapp. Schier unbegrenzt wie in Niederösterreich waren sie in Vorarlberg nie. Dazu kommt, dass es hierzulande ein größeres Bevölkerungswachstum gibt. Die Zahl der Haushalte ist allein in den letzten zehn Jahren um ein Achtel oder rund 20.000 gestiegen.
Abgesehen davon gibt es Notwendigkeiten, beim Bodenverbrauch auf die Bremse zu steigen. Die Regierungsparteien sind schon nah dran gewesen. Unter Federführung von Sebastian Kurz (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) haben sie 2019 vereinbart, den Verbrauch bis 2030 auf netto zweieinhalb Hektar pro Tag österreichweit zu drosseln. Zuletzt hat sich die ÖVP zwar verabschiedet davon, so etwas wird aber kommen müssen. Sonst werden die heimische Lebensmittelversorgung gefährdet und der Klimawandel beschleunigt.
Hier müssen so viele Aspekte unter einen Hut gebracht werden. Einerseits gibt es eben immer mehr Wohnraumbedarf auf begrenzter Fläche, andererseits müssen etwa auch Unternehmen wachsen können, damit nicht zuletzt genügend Arbeitsplätze existieren.
Wenn man vor diesem Hintergrund wieder vom eigenen Haus mit Garten ausgeht, wird klar, dass zur Lösung ein Kulturschock notwendig ist. Zumindest für jene, die die Augen gegenüber den Entwicklungen verschließen. Sprich: Gefordert ist eine stark verdichtete Bauweise. Eigentum ist gut. Wenn, dann aber eine Wohnung in einem Gebäude mit vielen anderen. Oder im Rahmen eines Einfamilienhauses mit zum Beispiel 250 Quadratmetern Grundstücks- und 130 Quadratmetern Nutzfläche, wie es Wolfgang Amann vom „Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen“ vorschlägt. Und zwar mit dem Nachsatz, dass die Verdichtung so weit gehen sollte, dass Haus an Haus gebaut wird, sodass die bescheidene Freifläche, die bleibt, bestmöglich genützt werden kann. Es mag beklemmend klingen, ist jedoch vernünftig: Nur so bleibt Platz für möglichst viele(s), vor allem auch eine nachhaltige Entwicklung.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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