„Schlaflose Nächte, die nicht sein müssten“

Vorarlberg / 08.05.2024 • 17:05 Uhr
„Schlaflose Nächte, die nicht sein müssten“
Reinhard Zischg zur aktuellen Situation: „Ob man tatsächlich eine Assistenz erhält, ist nicht selbstverständlich. BVS

Neuerungen bei der Persönlichen Assistenz schaffen Betroffenen große Probleme.

Dornbirn „Ich sitze im Rollstuhl und bin bei meinem Tagesablauf auf eine Persönliche Assistenz angewiesen“, beginnt Reinhard Zischg (58), Vorstandsmitglied von Reiz, Verein für ein selbstbestimmtes Leben, zu erzählen. Bei kleinsten Tätigkeiten, etwa beim Aufstehen oder beim Anziehen, braucht er assistierende Hilfe.

Der alleinerziehende Vater aus Dornbirn setzt sich neben seinen Beschäftigungen als Sozialarbeiter und Mitarbeiter in der Landesbibliothek für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung ein. „Wir wollen aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben, trotz unserer Einschränkungen“, sagt Zischg. Damit dies machbar ist, sind Menschen wie er auf Unterstützung angewiesen. Nun haben Bund und Land ein Pilotprojekt gestartet, das die Persönliche Assistenz einheitlich regelt und Erleichterungen bei der Antragstellung mit sich bringen soll. Doch das neue Modell weist Lücken auf, die bei den Betroffenen Angst auslösen.

Missstand

Nach dem neuen Gesetz haben Menschen mit körperlichen Behinderungen im Alter zwischen 15 und 65 Jahren Anspruch auf eine Persönliche Assistenz. Menschen mit geistigen Behinderungen sind im neuen Pilotprojekt noch nicht berücksichtigt, da wird noch an einem erweiterten Konzept gearbeitet. „Ob man tatsächlich eine Assistenz erhält, ist jedoch nicht selbstverständlich“, erklärt Reinhard Zischg die Problematik. All jene, die im Rollstuhl sitzen und unter 15 Jahre alt oder in der Pension sind, haben keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung für die Persönliche Assistenz. Sie müssen die notwendige Hilfe selbst finanzieren. Ein Missstand, der große finanzielle Probleme mit sich bringt.

„Ich bin 67 Jahre alt und seit einem Unfall vor über 40 Jahren querschnittsgelähmt. Da ich nun in Pension bin, habe ich keinen Anspruch auf diese Förderung“, schildert etwa Peter Ainödhofer. Doch auch er braucht eine Persönliche Assistenz, um daheim ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. „Ins Pflegeheim zu gehen, ist keine Option für mich“, bekräftigt er. Waren es vor der Umstellung 15 Euro, die der Bezieher pro Stunde bezahlen musste, so sind es jetzt 25 Euro. „Für uns ist das eine große Belastung. Ich brauche eine 24-Stunden-Hilfe. Doch das kann ich mir gar nicht leisten“, zeigt Ainödhofer auf. Um fit zu bleiben, macht der Pensionist unter anderem Physiotherapie damit er trotz seiner Behinderung zu Hause bleiben kann. „Auch die Pflegeheime sind voll. Ich will selbst bestimmen, wie mein Tagesablauf ist.“

Für die Assistenzkräfte bringt das neue Pilotprojekt eine Verbesserung mit sich. „Alle werden nach dem Kollektiv-Vertrag für Gesundheitsberufe angestellt und sind somit sozialversichert“, sagt Sabrina Nitz von der Servicestelle Persönlichen Assistenz. Zudem können auch pflegende Angehörige einen Teil der Assistenz übernehmen und werden über die Servicestelle angestellt, heißt es aus dem Büro von Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher.

Für Reinhard Zischg problematisch, da alle in Gehaltsstufe 2 eingestuft werden. Gerade für Auszubildende an der Kathi-Lampert-Schule ist dies zu wenig. „Außerdem ist es so, dass manche, wie etwa Studenten, Pensionisten oder Hausfrauen, sich anstellen lassen wollen und können“, erläutert er. Eine Situation, die dazu führt, dass von den bereits jetzt schon wenigen Persönlichen Assistenten weitere wegfallen. „Wenn meine Assistentin morgen aufhört, habe ich ein großes Problem. Davor habe ich Angst und schlaflose Nächte“, bekennt Reinhard Zischg und hofft auf eine Lösung, die ihm diese Besorgnis nimmt.

Stundendeckelung

Nach dem neuen Pilotprojekt wird die Hilfe nach 300 Stunden im Monat gedeckelt. „Auf mehr Stunden hat man keinen Anspruch. Der Rest muss selbst finanziert werden“, so Zischg. Vorarlberg, Tirol und Salzburg nehmen an dem bundesweiten Pilotprojekt teil, um die Persönliche Assistenz gemeinsam mit dem Sozialministerium auszubauen. „Ich verstehe viele Ansätze, doch um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, sollten uns nicht noch mehr Hürden gelegt werden“, so Zischg. Die „Selbstbestimmt Leben Initiative“ hofft, dass wichtige fehlende Punkte im Konzept überarbeitet werden und Lücken für eine optimale Persönliche Assistenz geschlossen werden. BVS