Zur Besinnung kommen
… und plötzlich kehrt Stille ein. Die schwere Kirchentür schlägt zu, der dumpfe Knall hallt nach, sein Echo verliert sich im Gewölbe. Dann wird es still. Mit einem Mal wird der Besucher seiner Schritte gewahr und bleibt stehen. Er räuspert sich, wie zur Vergewisserung. Aber es ist niemand da. Die Stille umfängt den Besucher nun, als legte sie ihm einen Umhang über die Schultern. Er wird, wie er sich nun in einer Bankreihe niederlässt, ganz Teil dieses Ortes. Je genauer er hinzuhören sucht, desto lauter tost die Stille in seinen Ohren, als ränge sie mit ihm, bis er sich ergibt. Erst dann kommt er an. Bei sich. In der Stille.
So einmal am Tag bei sich vorbeischauen – also wirklich bei sich, nicht bei dem Körper, der vor dem Fernseher eingeschlafen ist, nicht beim Partytiger oder beim Socialmedia-Star und auch nicht bei dem, der gewohnheitsmäßig Recht behält, sondern nur bei sich – das hat etwas.
Es braucht dazu keine Kirche. Ein Weg, eine Lichtung, ein Sessel, egal. Nur still muss es sein. Selbst die Bedürfnisse müssen schweigen, sogar das recht haben. „An dem Ort, an dem wir recht haben, werden niemals Blumen wachsen im Frühjahr“, schreibt der israelische Lyriker Yehuda Amichai: „Zweifel und Liebe aber lockern die Welt auf wie ein Pflug.“ Beide kommen, wollen sie keine blassen Abziehbilder der Wirklichkeit sein, in der Stille zur Welt.
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