Ausgetrickst

Im November vergangenen Jahres habe ich in einem VN-Kommentar geschrieben, dass mit der sogenannten Renaturierungs-Verordnung der EU ein besonders bedeutsames Umweltschutzgesetz vorbereitet wird. Die letzten Meter des Weges erwiesen sich steiniger als gedacht. Vor wenigen Tagen erst gab die Stimme Österreichs den Ausschlag.
Nun kann man als Naturfreund das Gesetz durchaus begrüßen: Es gibt ambitionierte Ziele zur Wiederherstellung von Natur (Moore, Wälder, Flüsse) und zur Wiederbegrünung von Städten vor. Diese werden zwar durch Ausnahmen aufgeweicht, welche wiederum aufwändige Berichtspflichten der Länder an den Bund und des Bundes an die EU vorse-hen. Wie das alles funktionieren wird, ist noch unklar. Sicher ist nur eines: Die Bürokratie wird massiv zunehmen.
„Das größere Problem als jede EU-Bürokratie bleibt weiterhin die politische Unvernunft in Österreich.“
Das größere Problem als jede EU-Bürokratie bleibt allerdings weiterhin die politische Un-vernunft in Österreich: Das Land Wien und in seinem Schlepptau das zaghafte Kärnten versuchten, die bis zu dahin einheitliche ablehnende Länderposition, welche Bundes-ministerin Gewessler in der Abstimmung auf EU-Ebene gebunden hatte, zu sprengen. Wie sich dieses Verhalten auf die zukünftige Zusammenarbeit der Landeshauptleute auswirkt, wird sich zeigen. Jedenfalls ist nicht anzunehmen, dass die Bereitschaft anderer Länder, Wien bei der Lösung seiner Probleme zu helfen, gewachsen ist.
Trotz des Einwandes des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, dass die Länder-position so lange bindend ist, als sie nicht offiziell geändert wurde (was niemals erfolgte), stimmte Ministerin Gewessler im Rat zugunsten der Verordnung ab. Auch über das vom Bundesministeriengesetz geforderte Einvernehmen mit dem hauptbetroffenen Landwirdschaftsministerium setzte sie sich hinweg. Zuvor hatte sie sich noch mit Gut-achten versorgt, die ihr Verhalten als „vertretbar“ erachteten. Somit muss sie sich im-merhin nicht vor dem Strafrichter fürchten.
Die Vertretung Österreichs auf europäischer Ebene ist jedoch keine one-woman-show, sondern verlangt innerstaatliche Koordination. Daran ändert nichts, dass das Landwirt-schaftsministerium auch selbst schuld ist, wenn es seine Interessen nicht einbringen konnte. Jahrelang vertraute man dort offenbar darauf, dass die Länder das Gesetz verhindern würden. Erst als die Länderfront bröckelte, wagte sich das Ministerium viel zu spät aus der Deckung und verlangte die Herstellung des Einvernehmens.
Den Zorn der ausgetricksten ÖVP wird die Ministerin, deren Tage in dieser Funktion oh-nehin gezählt sind, verschmerzen. Auf der Strecke bleibt freilich einmal mehr das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und das Ansehen Österreichs in Europa: Was ist das für ein Land, in dem die Regierung nicht einmal eine gemeinsame Position in einer so wichtigen Angelegenheit findet?
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.