Thomas Matt

Kommentar

Thomas Matt

Die Würde stirbt zuletzt

Vorarlberg / 23.07.2024 • 15:42 Uhr

Sie versprühen schon früh morgens beste Laune. Mit Rucksäcken und Stöcken plaudern sie am Bahnsteig. Ihre braun gebrannten Gesichter lassen erahnen, dass sie nicht zum ersten Mal wandern gehen. Sie haben ja Zeit, sind in Pension. Standen einmal in Verantwortung und haben der Logik unseres Pensionssystems gehorchend Mitte 60 erkannt, dass es genug sei. Das geht in wenigen Ländern der Erde so reibungslos vonstatten. Vielerorts ist Pension ein Fremdwort. Dann rackern die Alten, bis sie umfallen.

Wann ist man alt? Das Schicksal des greisen US-Präsidenten hat die Debatte erneut angeheizt. Mit seiner Entscheidung, nicht doch noch bis weit in seine Achtzigerjahre hinein regieren zu wollen, begibt er sich spät in gute Gesellschaft. Als Papst Benedikt XVI. im Februar 2013 alt und krank den Fischerring zurückgab, jubelten die einen, andere sahen die Institution für alle Zeiten beschädigt. Aber kein Blitz fuhr vom Himmel, um die Ordnung wieder herzustellen. Ein Jüngerer übernahm, der heute wohl vor derselben Entscheidung steht.

Das Alter, weiß der Volksmund, ist nix für Feiglinge. „Und wenn Dir ab 60 nix wehtut, bist Du tot“, fügt er feixend hinzu. Aber das Alter ist auch nichts für die ewigen Macher, die jedes Zeichen auf Rückzug nicht sehen wollen. Die sich ausruhen könnten, aber es partout nicht wollen. Wenn das Alter sich in der Illusion ewiger Power verleugnet, kann das nicht gut gehen. Am Ende gebiert es nur noch peinliche Bilder. Die machen dann alles vergessen, was gut und richtig gewesen ist, und der Mensch verliert seine Würde.