Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Was wird mal von mir übrig bleiben?

Vorarlberg / 29.10.2024 • 07:15 Uhr

Weil ich ein Buch fertigschreiben muss, ist mein Haus so aufgeräumt wie schon lange nicht mehr. Umstellen, aufräumen, ausmisten, putzen: Es ist die höchste und edelste Form der Prokrastination. Ich ging sogar an den Wandschrank oben im Kinderzimmer, in den ich seit Jahren nur Zeug hineinstopfte, während ich mich weigerte, einen Blick hineinzuwerfen: Weil ich weiß, dass da zwischen uraltem Kinderzeug auch mal eine Maus unterwegs war. Heute habe ich den Schrank aufgemacht und, bewaffnet mit Gummihandschuhen, Müllsack und Sprühputz, alles herausgeräumt. Und zerlöcherte Socken in Größe 28 und labrige T-Shirts für Achtjährige (kann man sicher noch mal brauchen!) weggeworfen (kann man nicht, die Kinder sind schon erwachsen). Die Kinderbücher will ich nicht weggeben, ich hoffe, die braucht man noch mal, ich habe sie gesäubert und in dichte Plastikboxen verpackt.

„Womit werden wir sie konfrontieren, was werden wir ihnen aufhalsen?

Die Ausmisterei ist aber nicht nur Prokrastinieren. Es hat auch zu tun mit dem Bewusstsein der Endlichkeit, das einen in meinem Alter und um Allerheiligen herum immer wieder beschleicht. Irgendwann werden wir nicht mehr da sein, was werden wir unseren Kindern hinterlassen? Womit werden wir sie konfrontieren, was werden wir ihnen aufhalsen? Wohnungen, Keller, Schuppen und Dachböden, vollgeräumt mit nicht mehr funktionierenden oder unbrauchbaren Dingen, Kartons voller Andenken, die mit ihnen nichts zu tun haben, Gerümpel, von dem wir vor Jahrzehnten glaubten, man könne das sicher noch mal brauchen?

Als meine Freunde mir nach dem Hochwasser halfen, meine Möbel und Sachen wieder in mein trocken gebliebenes Haus und den Schuppen zu räumen, sagte einer: Du hast aber schon viel Zeug. Ich glaube eigentlich nicht, dass ich viel zu viel Zeug habe; ich würde gern einmal all die Sachen auf einem Haufen sehen, die andere Leute in Wohnung, Keller, Garage, Werkstatt und Schrebergartenhäuschen verräumt haben. Da kommt mehr zusammen, als man glaubt.

Trotzdem ist das picken geblieben, und ich habe viele der Dinge, die beim Ausräumen aufgetaucht sind, nicht mehr eingeräumt, sondern zur Caritas oder auf den Müllplatz gebracht. Und jetzt bin ich dabei, mir die Sachen, die ich in beschrifteten, transparenten Boxen aufbewahre, genauer anzusehen. Diese Beschläge in der „Beschläge“-Kiste: Werde ich die wirklich nochmal brauchen? Weshalb habe ich drei Bohrmaschinen? (Eine war im Haus, eine habe ich mitgebracht, eine hat mein Ex-Schwiegervater selig mir vererbt, deshalb.) Braucht man wirklich eine Kiste nur mit alten Kabeln und eine voll mit nicht aufgebrauchter Lacke und Lasuren?

Der Freund hat Recht, es muss noch mehr Zeug weg. Und das, was von mir dereinst mal übrig bleibt, soll in Bücherregalen stehen, und in sauber beschrifteten Boxen liegen, übersichtlich, ordentlich und brauchbar.

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.