Sozialberuf statt Fußballkarriere

Mario Bonora hat vor zwei Jahren einen Neustart gewagt. Er geht wieder zur Schule.
HARD Mit 40 Jahren einen neuen Beruf zu erlernen, erfordert Mut und Durchhaltevermögen. Mario Bonora hat diese Herausforderung angenommen. Er drückt wieder die Schulbank.
Ein kühler, nebliger Novembernachmittag. Mario steht am Herd und rührt die Tomatensoße um. Er ist soeben heimgekommen und bereitet das Abendessen zu. Sein elfjähriger Sohn Finn wird auch bald hier sein. Mit einem Mordshunger. Wie üblich.

In diese Zwei-Zimmer-Mansardenwohnung in Hard ist Mario vor kurzem eingezogen. „Finn und meine Tochter Violet leben bei ihrer Mutter“, informiert er, „Finn kommt jedoch oft nach der Schule zu mir“.
Leidenschaft für Fußball
Eigentlich strebte Mario eine Karriere als Profi-Fußballer an. Darum ist er 2004 von Tirol nach Vorarlberg ausgewandert. Geboren wurde er am 30. Dezember 1982, aufgewachsen ist er in einer großen Siedlung mitten in Innsbruck. „Mit den Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester lebten wir zu sechst in unserer Wohnung“, erinnert er sich.

Seine Leidenschaft für Fußball begann im Alter von neun Jahren. Gespielt hat er, bis er 30 war. Zunächst beim FC Tirol: „Dann wollte ich zu einer Vorarlberger Mannschaft und landete beim FC Hard.“ Er kickte in der Regionalliga, später in der höchsten Amateurliga. Zum Profispieler hat es dann doch nicht gereicht. Das macht ihm nichts aus. Er ist trotzdem passionierter Fußballer geblieben. Mittlerweile ist er Trainer der U12-Mannschaft beim FC Hard. „Dabei geht es mir nicht nur um den Sport, sondern auch um das Zwischenmenschliche. Das Miteinander und Füreinander“, betont er.

In der Anfangszeit in Vorarlberg hielt sich der damals 22-jährige gelernte Einzelhandelskaufmann mit Teilzeitjobs über Wasser: „Das war mit dem Fußballspielen vereinbar.“ Dann führte ihn sein beruflicher Weg zum Unternehmen Ramsauer Dichtstoffe in Dornbirn. Nach zehn Jahren wechselte er zur Firma Amann in Hard. „Beide Jobs waren toll“, stellt Mario klar. „Ich war aber nicht ausgefüllt.“ Er hörte auf. Und entschied sich für eine Ausbildung im Sozialbereich. Das liegt ihm, denn Mario war schon immer sozial engagiert. Zum Beispiel hatte er 2017 die Tricoty-Auktion initiiert. Die Erlöse dieser Charity-Veranstaltung waren für die „Schmetterlinge“ – eine Selbsthilfegruppe für Betroffene von sexueller Gewalt und deren Angehörige – bestimmt. Bei den insgesamt fünf Versteigerungen von Trikots, Kappen und anderen Objekten von bekannten Sportlern waren mehr als 60.000 Euro zusammengekommen. Im Herbst 2022 begann er an der SOB (Schule für Sozialbetreuungsberufe) in Bregenz die Ausbildung zum Familienarbeiter. Den Teil Pflegeassistenz hat er bereits abgeschlossen. Im Juni wird er die Diplomprüfung ablegen. „Einfach war der Schritt nicht, mit 40 eine neue Ausbildung zu beginnen“, resümiert er. Denn das Lernen, insbesondere des theoretischen Stoffs, sei mitunter mühsam. „Aber ich habe ein Ziel, und ich weiß, ich schaffe es.“

Noch steht nicht fest, wo der nun 42-Jährige nach der Ausbildung tätig sein wird. „Ich kann mir gut vorstellen, in einer Wohngemeinschaft mit psychisch belasteten Jugendlichen zu arbeiten“, überlegt er. „Oder in der Lebenshilfe-Werkstätte in Hard. Dort habe ich bereits ein Praktikum gemacht.“ Praktika absolvierte er auch in der Unfallchirurgie des Landeskrankenhauses Bregenz, beim Hauskrankenpflegeverein Wolfurt sowie im Seniorenheim Wolfurt. Die Wohnungstür geht auf. Finn kommt herein. Der Elfjährige grüßt freundlich, lässt den Schulrucksack auf den Boden gleiten, umarmt seinen Vater und meldet erwartungsgemäß Hunger an. Die Tomatensoße ist fertig. Die Nudeln müssen noch gar werden.
„Ich will meinen Kindern Werte vermitteln, wie Selbstbewusstsein, Achtung, Empathie. Ich lasse sie jedoch freie Entscheidungen treffen“, erklärt der umsichtige Vater, während er das Nudelwasser aufsetzt. Sich selbst beschreibt er als bodenständigen Menschen, der mit wenig zufrieden ist: „Man braucht nicht viel um glücklich zu sein.“ So zählt zu den schönsten Erlebnissen in seinem bisherigen Leben „die Umarmung einer alten Frau, die ich betreut habe“. Als traurigstes Ereignis beschreibt er den Tod seiner Großmutter, mit der er innig verbunden war: „Wir waren oft zusammen, und sie hat mir einiges beigebracht. Etwa Kochen und Stricken. Und wir haben viel über persönliche Gefühle geredet.“ 15 Jahre ist es her, als die Großmutter starb, „trotzdem fehlt sie mir sehr“.
Wünsche? Mario Bonora überlegt kurz, antwortet dann: „Ich wünsche mir, dass statt Krieg Frieden ausbricht und jeder Mensch auf der Erde genug zu essen und zu trinken hat.“