
Ein neuer Wächter über mehr als 2600 Dächer
Michel Schuster ist mit Leib und Seele Rauchfangkehrer. Für den Job ist er mit seiner Familie in den Bregenzerwald übersiedelt.
Reuthe Hin und wieder wird er gebeten, mit seinen rußigen Fingern über einen Lottoschein zu streichen. Manche möchten auch seine dreckige Schulter reiben. Andere wollen gerne seine Hand schütteln, weil das ebenso Glück bringen soll. „Das passiert tatsächlich noch oft“, sagt Rauchfangkehrer Michel Schuster und fügt hinzu: „Die Jungen sind aber nicht mehr so abergläubisch.“ Dennoch ist er auf Hochzeiten geduscht, mit Zylinder und mit dem Ruf als Glücksbringer auch bei diesen nach wie vor ein gerne gesehener Gast – was dem 36-Jährigen naturgemäß ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Rund 25 Rauchfangkehrer-Betriebe gibt es in Vorarlberg. Vor Kurzem hat der gebürtige Deutsche den Schritt in die Selbständigkeit getan. „Das ist ein Beruf, den man leben muss“, ist sich Schuster sicher.

Zu seinem Alltag zählen neben der Kamin- bzw. Feuerstättenreinigung und dem „Glücksbringer-Dasein“ vor allem auch Kaminbefundung, Abgasmessung oder Beratungen. Oberstes Ziel der traditionellen Handwerker ist es, den Schutz und die Sicherheit in den Häusern zu gewährleisten.
Der Weg in die Selbständigkeit
Schuster hat unlängst einen Teil des sogenannten Kehrgebiets 6 in Vorarlberg von seinem früheren Arbeitgeber „Kaminkehrermeisterkönig“ übernommen. Konkret geht es dabei um zirka 2600 Haushalte in Egg und Andelsbuch und etliche Alphütten. Dazu ist er mit seiner Ehefrau Nadine (33) und den Söhnen Fyn (3) und Flóki (1) vom Kleinwalsertal in den Bregenzerwald bzw. unlängst nach Reuthe übersiedelt.
Vom Praktikanten zum Meister
„Wir sind gekommen, um zu bleiben“, sagt Schuster im Hinblick auf den verhältnismäßig häufigen Rauchfangkehrer-Wechsel der vergangenen Jahre in dem Gebiet. Der Mann mit den auffallenden Tattoos stammt ursprünglich aus Rheinland-Pfalz und hat sich über die Jahre in dem traditionellen Handwerksberuf vom Praktikanten bis zum Rauchfangkehrmeister empor gearbeitet. „Und dies, obwohl mein Berufsschullehrer einst gemeint hatte, aus mir wird nie was“, erinnert er sich und schmunzelt.

Beruflich zog es ihn nach der Ausbildung ins Oberallgäu und das Kleinwalsertal. Damit erfüllte er sich einen Kindheitstraum. „Wir waren früher mit dem Ski- und Rodelclub dort und mir hat die Gegend so gut gefallen.“ Schließlich fand er nicht nur einen Job, sondern lernte auch seine Nadine kennen. Während Schuster die Meisterausbildung berufsbegleitend absolvierte, waren ebenso schon bald die Söhne Fyn und Flóki im Anmarsch. „Ich hoffe natürlich sehr, dass einer der beiden auch mal Rauchfangkehrer werden wollen wird und den Betrieb weiterführt.“

Da Schuster seine Ausbildung in Deutschland absolviert hat, wurden seine Zeugnisse auf dem Weg zum eigenen Betrieb einem Prüfverfahren unterzogen. Nun ist er seit Kurzem mit seinem eigenen Wagen auf Tour. Seine Frau Nadine wird ihn bei den Terminvereinbarungen unterstützen.
Einblicke in den Alltag
„Kein Tag gleicht dem anderen“, erläutert Schuster seinen Alltag. Er kennt Haushalte vom Keller bis zum Dachboden und erhält dabei private Einblicke in viele Familien. „Man erlebt die tollsten Dinge“, erzählt der Rauchfangkehrermeister und fügt hinzu: „Inzwischen verstehe ich auch den Dialekt zu 99,5 Prozent.“ Was ihn doch noch etwas zu betrüben scheint: „Wegen meiner Herkunft und meiner Tätowierungen hatte ich früher mit Vorurteilen zu kämpfen.“
Inzwischen verstehe ich auch den Dialekt zu 99,5 Prozent.
Michel Schuster, Kaminkehrermeister
Aufheitern tut sich seine Miene jedenfalls, wenn es wieder einmal um seinen Ruf als „Glücksbringer“ geht oder sich die Menschen über seinen „Besuch“ freuen.