Syrer und andere
Maßgebliche Politiker können es nicht erwarten, syrische Staatsangehörige loszuwerden. FPÖ-Chef Herbert Kickl drängt auf eine „Schwerpunktaktion Remigration“: Asylstopp und Abschiebungen seien sofort durchzuführen, meinte er kurz nach dem Sturz des Assad-Regimes. Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) bemühten sich umgehend, nachzuziehen: Asylverfahren wurden ausgesetzt, Rückführungsprogramme werden vorbereitet.
Das Kapitel hat mit der Flüchtlingskrise 2015 begonnen. Sie steht für eine Zäsur: Zehntausende sind damals ungehindert über die Grenze gekommen. Damit ist so vieles einhergegangen. Staatlicher Kontrollverlust, also auch Bedrohliches. Vor allem, weil es sich überwiegend um junge Männer mit fremder Sprache und noch dazu Muslime handelte: Das ist eine Gruppe, der größere Ablehnung entgegenschlägt.
Innenpolitisch beschleunigte sich ein Umbruch: Für Freiheitliche begann ein nie dagewesener Aufstieg, unterbrochen nur durch „Ibiza“. Eine Erklärung dafür ist die Antwort, die Herbert Kickl gibt: „Festung Österreich“ mit geschlossenen Grenzen sowie eben „Remigration“. Das ist kompromiss- wie gnadenlos und in den Augen vieler alternativlos.
„Es ist irrational, aber politisch motiviert: Man lebt von den Problemen und ist daher nicht an Lösungen interessiert.“
Auch Linke, also Sozialdemokraten und Grüne, sahen sich gezwungen, zu reagieren und zumindest dem Eindruck entgegenzutreten, dass sie Massenmigration unbegrenzt zulassen würden. Die ÖVP ist noch weiter gegangen: Sie bemüht sich seither immer wieder, Kickl und Co. zu kopieren und ihnen so Wind aus den Segeln zu nehmen. Siehe Nehammer und Karner diese Woche.
Sie glauben, damit auch das Kapitel Flüchtlingskrise schließen zu können. Das ist jedoch unmöglich. Besser wäre es, dazuzulernen. Zumal zwischenzeitlich aufgrund des russischen Angriffskrieges auf ihr Land zusätzlich tausende Menschen aus der Ukraine nach Österreich geflüchtet sind. Und zumal mit solchen Bewegungen in Zukunft aufgrund unzähliger Krisen und Nöte noch viel stärker zu rechnen sein wird. Insofern wäre es klug, sich zu überlegen, wie man die Herausforderungen, die sich stellen, am besten bewältigen könnte.
Auf nationaler Ebene vernünftig wäre es zum Beispiel, bei Flüchtlingen, die bleiben dürfen, vom ersten Tag an Integration zu betreiben. Und nicht einfach nur zu warten und sie bei erstbester Gelegenheit nach vielen Jahren aufzufordern, in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Oder sie, wie Vertriebene aus der Ukraine, in die staatliche Grundversorgung zu stecken und damit zu viele von ihnen davon abzuhalten, erwerbstätig zu werden.
Damit schafft man sich selbst Probleme: Keine oder unzureichende Integration steht für ein konfliktreicheres Zusammenleben. Außerdem steht es für finanzielle Belastungen (Beispiel Grundversorgung). Umgekehrt bedeutet es, auf Arbeitskräfte zu verzichten, die man längerfristig braucht, um den Wohlstand zu erhalten. Es ist irrational, aber politisch motiviert: Man lebt von all den Problemen und ist daher nicht an Lösungen interessiert.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
Kommentar