Dann baut er halt woanders
Plötzlich sieht alles anders aus. Drei Wochen war ich nicht am Land, und als ich mit dem Hund zurückkehrte, war da was, das vorher nicht da war. Unten am Ufer des Flusses, wo ich, seit sich das große Hochwasser zurückgezogen hat, keine grüne Wiese mehr habe, sondern einen weichen, hellen Sandstrand, lagen zwei Weidenstämme, die letztes Mal, als ich hingesehen hatte, noch in die Höhe gewachsen waren. Jetzt lagen sie da wie zwei riesige Zahnstocher, mit der charakteristischen, hell abgenagten Spitze auf einer Seite. Der Biber war da.
Der Biber ist kein Fremder hier in der Gegend. Beim Spazierweg, kurz hinter der Stelle, an der ein kleines Bächle in den Fluss mündet, gibt es ein kleines Biber-Paradies: Kreuz und quer liegen dort die abgenagten Weidenstämme und an zwei Stellen haben sich im Bach große Becken gebildet, da, wo der Biber das Wasser mit seinen Bauten aufstaut. Seit das Hochwasser diese Bauten mitnahm, hat sich an dieser Stelle nichts mehr getan, keine neuen Nagespuren kamen zu den alten dazu. Der Biber hat sich bächleaufwärts zurückgezogen und sich dort ein neues Revier gesucht, und jeden Morgen, wenn ich mit dem Hund spazieren gehe, hat er dort in aller Ruhe ein neues Stück Weiden-Ufer zu einer gefährlich angespitzten Pfahlbarrikade abgenagt.
Den Biber selbst habe ich dort noch nie gesehen, und jeden Morgen, wenn ich vorbeigehe, nehme ich mir vor, endlich mal zu googeln, wo die fleißigen Viecher sich tagsüber verstecken. Wie immer hilft die kluge Naturseite www.nabu.de: Der dämmerungsaktive Biber verbringe den Tag in seinem Bau. Offenbar versteckt es sich dort gut.
Nabu kann auch genau sagen, wie schwer – bis zu 36 Kilo – und wie groß Biber werden können, aber das weiß ich jetzt selber. Zwei Tage nach unserer Rückkehr schlug der Hund an der Verandaglastür plötzlich an wie verrückt, und als ich hinausschaute, erblickte ich ein mehr als einen Meter langes Fellknäuel, das sich oberhalb des Hüsles quer über meine Wiese bewegte. Das Fellknäuel wurde von dem Zaun aufgehalten, den die Kälber meines Nachbarn gern überrennen. Ich ging – ohne den Hund – nachschauen, ob der Biber sich dort nicht verfangen hatte. Aber er kauerte dort nur, ich ließ ihn in Ruhe und ging wieder ins Haus.
Der Biber setzte sich wieder in Bewegung und watschelte, während der Hund hinter der Scheibe praktisch durchdrehte, gemächlich auf das Haus zu, am Haus vorbei und fand dann hinter dem Komposthaufen durch ein Loch im Zaun, das ich erst jetzt bemerkt, wieder hinunter zum Fluss, wo er ein bisschen herumsaß und dann davon schwamm. Seither habe ich ihn beim Haus nicht mehr gesehen. Der Biber baut jetzt wohl flussaufwärts, wo keine Hunde nerven.
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
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