Spulenfabrik Zuppinger in Wolfurt: Vom Wasserrad zur Industrielegende

Im Jahr 1838 legte der Mechaniker Carl Zuppinger den Grundstein für eine der bedeutendsten Industriegeschichten der Region Hofsteig.
Wolfurt Carl Zuppinger, ein aus Männedorf im Kanton Zürich eingewanderter Mechaniker, erkannte bereits früh das industrielle Potenzial der Region. 1838 gründete er eine kleine Hammerschmiede, die von der Wasserkraft des Holzerbachs angetrieben wurde. In den folgenden Jahren erweiterte er seinen Betrieb, indem er eine alte Mühle und Wetzsteinschleife im Rossenkessel erwarb. Hier, am Zusammenfluss von Rickenbach, Minderach und dem Schwarzacher Mühlkanal, standen ihm deutlich mehr Ressourcen zur Verfügung.

Zuppinger spezialisierte sich auf die Herstellung von Dreh- und Drechselteilen für die aufstrebende Textilindustrie und baute die erste Fabrik in der Gemeinde auf, die bald unter dem Namen “Zuppingersche Spulenfabrik” bekannt wurde.
Wichtige Textilindustrie der Region
Nach dem Tod Carl Zuppingers 1857, übernahm sein Sohn Johann Walter das Familienunternehmen. Unter seiner Führung erlebte der Betrieb in Wolfurt einen beachtlichen Aufschwung. Innerhalb von zwei Jahrzehnten entwickelte sich die Spulenfabrik zu einer zentralen Produktionsstätte für Garnspulen, die die gesamte Textilindustrie der Region mit den wichtigen Holzteilen versorgte.

Um den steigenden Energiebedarf zu decken, ließ Johann Walter Zuppinger einen Stauweiher errichten, der es ermöglichte, das Wasser des Flusses effizienter zu nutzen. Trotz dieser Maßnahme stieß die Wasserkraft bald an ihre Grenzen. Im Jahr 1882 produzierten die 45 Mitarbeiter der Fabrik über 1,5 Millionen Spulen, doch die Kapazität war ausgeschöpft. Deshalb entschied sich Zuppinger 1883 zur Gründung eines Zweigbetriebs in Mähren, gefolgt von einer weiteren Expansion nach Niederbayern acht Jahre später. Während der Betrieb in Wolfurt stagnierte, sorgte ein verheerender Brand im Jahr 1894 für eine Zäsur. Doch Johann Walter Zuppinger baute die Fabrik wieder auf und erweiterte sie. Er ließ ein eigenes Dampfkraftwerk errichten, und 1897 wurde der Betrieb sogar elektrifiziert.
Versteigerung 1935
Nach Johann Walters Tod im Jahr 1903 wurde das Familienunternehmen unter seinen Söhnen aufgeteilt. Die Fabrik in Wolfurt fiel an einen seiner ältesten Söhne, doch dessen plötzlicher Tod im Jahr 1907 stürzte den Betrieb in eine Krise. Der jüngere Bruder Max übernahm die Leitung und konzentrierte sich zunehmend auf die Führung des dazugehörigen Gutshofs, da die Spulenproduktion in Wolfurt 1910 stillgelegt wurde. In den folgenden Jahren blieb der Gutshof der wirtschaftliche Mittelpunkt der Familie, doch die Wirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre brachte Max Zuppinger in finanzielle Schwierigkeiten. 1935 wurde der Betrieb schließlich versteigert.
Größtes Tiefkühlhaus des Landes
1936 erwarb August Alge, der ehemalige Verwalter des Gutshofs, das Areal und führte den landwirtschaftlichen Betrieb weiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte sich die Nutzung des Geländes jedoch grundlegend. Alge ließ die alten Lagergebäude abreißen und errichtete ein großes Tiefkühlhaus, das zu seiner Zeit das größte in Vorarlberg war. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Gelände zur Lagerung von Tiefkühlprodukten genutzt, und die Spulenfabrik Zuppinger geriet allmählich in Vergessenheit. Die Gebäude wurden ab den 1960er Jahren an die Eskimo-Iglo GmbH vermietet, und ab 1980 begann die Umnutzung als Gewerbepark.
Heute erinnert nur noch wenig an die glorreichen Tage der Spulenfabrik Zuppinger. Viele der heute dominierenden Bauten stammen aus der Zeit Alges. Dennoch haben einige historische Gebäude die Zeit überdauert: das Arbeiterwohnhaus aus dem Jahr 1878, die alte Jugendstilvilla der Familie Zuppinger und die Fußgängerbrücke zur ehemaligen Fabrik. Diese Relikte erinnern an eine Zeit, in der die Spulenfabrik Zuppinger den Takt der industriellen Entwicklung in Wolfurt bestimmte. MEC