Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Vertrauenskrise

Vorarlberg / 28.02.2025 • 15:25 Uhr

Fünf Jahre nach Beginn von Corona lässt sich Erfreuliches feststellen: Wie schnell ein Impfstoff entwickelt war; dass eine „Herdenimmunität“ besteht und das Infektionsgeschehen bewältigbar ist; dass die Wirtschaft trotz Lockdowns nicht zusammengebrochen ist. Wobei es natürlich staatliche Hilfen gab. Neue Technologien haben jedoch Dinge möglich gemacht, die vor 20, 30 Jahren unmöglich gewesen wären in diesem Ausmaß – von Onlinehandel bis Homeoffice.
Das alles wird jedoch überschattet: Corona steht auch für eine Zäsur, für den Übergang in eine Phase multipler Krisen: Bis Anfang März 2020 schienen persönliche Freiheiten absolut und Sicherheiten in Stein gemeißelt zu sein. Allein durch Reise- und Kontaktbeschränkungen ist das zusammengebrochen. Später kamen die massive Teuerung und der Krieg in Europa dazu. Plötzlich kann man schwer längerfristig planen: Wer weiß, was morgen ist?

„Wären nach der Pandemie gewöhnliche Zeiten angebrochen, wäre die Krise wohl wieder kleiner geworden.“


Umso verhängnisvoller ist, was mit der Coronapandemie außerdem seinen Ausgang genommen hat: Eine verstärkte Vertrauenskrise der Politik. Sie kommt nicht irgendwoher: In den ersten Wochen befolgte die damalige Regierungsspitze mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vize Werner Kogler (Grüne) wissenschaftlichen Rat und verkündete entsprechende Maßnahmen. Als klar wurde, dass das unpopulär ist, wich sie zunehmend ab davon.
Im Sommer 2021 durfte die Pandemie nicht einmal mehr Thema sein: Der Landtagswahlkampf in Oberösterreich sollte ungestört bleiben. Das Virus hielt sich nicht daran, es breitete sich umso stärker aus. Nach der Wahl hatte sich das Infektionsgeschehen so sehr zugespitzt, dass aus Sicht der Landeshauptleute die Impfpflicht unumgänglich wurde.


Heute weiß man, dass das ein Fehler war: Die, die noch nicht geimpft waren, ließen sich erst recht nicht mehr impfen. Und bei vielen von ihnen führte es zu einem Bruch mit Regierenden sowie zu einer Verhärtung, die FPÖ-Chef Herbert Kickl bediente. Es begründete seinen Aufstieg zum bestimmenden Faktor der österreichischen Politik. Er verspricht, Rache zu üben bzw. nach oben zu treten und nach unten zu dienen.

Wären nach der Pandemie gewöhnliche Zeiten angebrochen, wäre die Vertrauenskrise wohl wieder kleiner geworden. Aber das war eben nicht der Fall. Es folgte unter anderem die Teuerung, mit der bei einem Teil der Bevölkerung das Gefühl einherging, dass Regierende nicht einmal mehr das erhalten können, was sie immer versprechen: den Wohlstand.


Das ist ein Problem auch für das Kabinett Christian Stocker I, das mit der kommenden Woche voraussichtlich auf Bundesebene ans Werk gehen wird: Wie wollen der künftige Kanzler und seine Minister bei einer solchen Stimmungslage möglichen Riesenherausforderungen gerecht werden? Wie werden sie es anlegen? Vielleicht würde eine Antwort in einem neuen bzw. alten Stil liegen: Konsequente Hinwendung zu solider Arbeit. Den Leuten nichts mehr vormachen, sondern reinen Wein einschenken. Und vielleicht ist Stocker mit seinen bald 65 Jahren sogar der Richtige dafür: Er muss dann nichts mehr werden.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.