Das bleibt man halt für immer
Gestern war ich in der neuen Wohnung von einem meiner Kinder und habe Türrahmen lackiert. Ich darf eigentlich nicht mehr „Kind“ sagen, jedenfalls nicht vor den Kindern, hallo, wir sind längst erwachsen! Ja! Aber so, wie ich auch in meinem Alter noch immer das Kind meiner Eltern bin und von meiner Mutter auf ihrer Eckbank verhätschelt werde, so werdet auch ihr für mich immer Kinder sein, ist so.
Nicht, dass ich nicht loslassen kann. Das kann ich, das habe ich auch gern gemacht, als sie vor vier und drei Jahren ausgezogen sind. Das Leben nach dem jahrelangen Vollzeit-Kümmern gefällt mir, auch wenn das Kümmern natürlich nie aufhört.
Am Sonntag zum Beispiel wachte ich im Haus am Land auf und dachte mir: Ach, in der neuen Wohnung vom Kind ist so viel zu tun. Wir hatten schon gemeinsam im Baumarkt Wandfarbe und Abdeckpappe eingekauft, denn das Kind zieht aus seiner WG in eine kleine Mietwohnung. Die ist ein bisschen abgewohnt, und das Kind hat mit Freundinnen gleich mit dem Ausmalen begonnen.
Ich ging dann mit dem Hund spazieren, das Wetter war kalt und grusig. Ich dachte mir, wie viel schneller beim Kind in der Wohnung alles ginge, wenn noch jemand mit anpacken würde, und nach dem Spaziergang schaute ich mal nach, was in meinen Malkisten noch so alles da war, vom Ausmalen im Herbst. Ich lud Trittleiter, Pinsel, halbvolle Lackeimer und Farbrollen ins Auto und fuhr in die Stadt, um mich nützlich zu machen. Das Kind jagte mich nicht davon.
So schön ich ein Leben finde, ich dem ich mich jetzt hauptsächlich um mich selber sorgen kann, in dem ich ungestört meine Gedanken zu Ende denken, mich ganz meinen Texten, meinen Freundinnen, Hüsle und Garten widmen kann, so sehr freue ich mich auch, wenn sich zwischendurch Gelegenheiten bieten, meine Kinder ordentlich zu bemuttern. Sie ein paar Tage lange zu bekochen, wenn sie mit Freundinnen und Freunden am Land zu Besuch kommen. Ihnen unerbetene Ratschläge („Tätest du dir nicht leichter, wenn…?“) und unverlangte Tipps („Wäre es nicht schöner, du würdest stattdessen das…?“) zu geben, die Waschmaschine anzuschließen, irgendwelche Sachen in meinem Kofferraum zu transportieren und einfach da zu sein, wenn sie mich brauchen.
Das ist vielleicht das Beste am Mutter-sein: Man bleibt es für immer. Also lackierte ich einen Nachmittag lang Türrahmen, während das Kind Wände strich und mir Sachen aus seinem Leben erzählte. Schön war das.
Am Abend dann fideles Saunieren mit meinen besten Freundinnen: In der kleinen Sauna, die eine von ihnen im ehemaligen Kinderzimmer eingebaut hat, kaum war ihr Kind aus dem Haus; das war auch schön.
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
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