Kolumne: Bitte haltet mich zurück
Ich habe gerade ein halbes Päckle Gelee-Hasen verdrückt. Ja, diese bunten, zuckrig-klebrigen Dinger aus dem Supermarkt. Bitte, man darf sowas nicht in meine Nähe lassen! Die Dragee-Eierle sind schon weg, die Fondant-Eier noch nicht geöffnet; wobei, lang halt ich das nicht mehr aus.
Ostern und seine Süßigkeiten: mein Glück, mein Verderben. Weihnachten: Ja, schön!, vor allem die Krömle meiner Mutter, da gibts kein Halten. Aber sonst zieht es mich süßigkeitenmäßig da nicht so rein. Vor Ostern dagegen kann ich einen Supermarkt nur unter strenger Aufsicht betreten. Mein Verstand schaltet in eine Art Hamster-Modus, ich kann mich nicht wehren und nicht beherrschen, wenn ich das bunte Zeug sehe: Das gibts nur einmal im Jahr! Da muss man Vorräte anlegen!
Das wäre ja nun eine Idee, gegen die meine innere Vorarlbergerin im Prinzip nichts einzuwenden findet. Leider scheitert die vernünftige Vorratshaltung auch hier wieder an hirnloser Gier: Was da ist, wird gegessen, und die Eierle-Vorräte, die dazu angelegt wurden, mich bis in den Juni hinein als kleiner Nachtisch zu erfreuen, erleben das Ende der Osterferien nicht. Was nicht wundert, wenn man sie zur Hauptmahlzeit erklärt.
Ich überlege, woher diese meine kindische Gier auf Ostersüßes herstammt, und lande mit einem Erklärungsversuch auch wirklich direkt in meiner Kindheit. Denn vielleicht hat ja ein bisschen unsere damalige Tradition damit zu tun, in der Fastenzeit auf Süßigkeiten zu verzichten. Es war natürlich nicht unsere Idee, sondern die unserer Eltern. Ein paar Jahre lang händigten sie meinen Geschwistern und mir am Aschermittwoch ein großes Gurkenglas aus, in dem fortan bis Ostern jede Süßigkeit aufgespart wurde, die uns von Verwandten und Bekannten zugesteckt wurde.
Seither ist meine Einstellung zum Fasten, wie soll ich sagen, verhalten. Einerseits finde ich es prinzipiell super: Es schadet nicht, einmal ein paar Wochen auf Alkohol oder Fleisch oder Zucker zu verzichten, und vielleicht ersatzweise eine neue gesunde Routine zu entwickeln. Anderseits verzichte ich aufs Verzichten, so im Sinne des alten Spruchs, dass man nicht zwischen Weihnachten und Neujahr zunimmt, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten. Und so verzichte ich darauf, zwischen Aschermittwoch und Karfreitag zu fasten und lebe dafür sonst halbwegs vernünftig und nach den Grundsätzen der Mäßigung, also zwischen Ostermontag und dem Eintreffen der Ostersüßigkeiten in den Supermärkten.
Aber das gilt nur für mich. Ihr, die ihr während der Fastenzeit auf etwas verzichtet habt: Bravo, echte Leistung, Respekt; frohes Fastenbrechen und schöne Ostern! Ich mach mich schon mal an die Fondant-Eier.
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
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