Reinhard Haller

Kommentar

Reinhard Haller

Kommentar: Fels der Hoffnung

Vorarlberg / 14.05.2025 • 09:50 Uhr

Fragt man sich, was die weit über die katholische Kirche hinausreichende Begeisterung nach der Wahl des neuen Papstes ausgelöst hat, gibt es nur eine Antwort: Es ist die Hoffnung. Nicht jene Hoffnung, die zuletzt stirbt, sondern die zuversichtliche Ausrichtung des Menschen auf seine Zukunft. Jene Hoffnung, die neben Glaube und Liebe zu den drei christlichen Kardinaltugenden zählt.

Manche Hoffnungen hat der zum Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken gewählte Kardinal Robert Prevost bereits erfüllt: Durch seine selbst beste Vatikankenner und professionelle Prognostiker überraschende Wahl, durch die er zu einer unabhängigen, keinem der Lager von Traditionalisten und Reformern verpflichteten Autorität geworden ist. Durch die Namenswahl , mit der er ein Zeichen der Fortführung großer Sozialreformen gesetzt hat und deshalb von den Medien als „Löwe (so lautet die Übersetzung von Leo) der Hoffnung“ gefeiert wird. Durch sein erstes Wort an die Versammelten auf dem Petersplatz, unter denen sich überraschend viele junge Menschen befunden haben, den Friedensgruß, mit dem er das brennendste Problem unserer Zeit angesprochen hat. Durch seine ersten Erklärungen, dass es nie wieder Krieg geben darf und das Gute letztlich über das Böse siegen wird. Hoffnungsvoll klingt ferner sein Bekenntnis, den Reformweg seines Vorgängers Papst Franziskus fortsetzen zu wollen.

Vieles an der Persönlichkeit des neuen Oberhirten stimmt hoffnungsvoll: Dass er als jemand gilt, der gut zuhören und ausgleichend wirken kann. Dass er von tiefer Spiritualität getragen ist und imstande sein wird, die innerkirchlichen Gegnerschaften zu versöhnen und Brücken zu anderen Konfessionen zu schlagen. Dass er die Probleme der 3. Welt, obwohl US-amerikanisch sozialisiert, besser kennt als fast jeder andere. Dass er das so dringend erforderliche moralische Gegengewicht zum verhängnisvollen Narzissmus seines amerikanischen Landsmannes und anderer Führungsfiguren darstellen kann.

Die größte Hoffnung, die man aus christlich-psychologischer Sicht in den neuen Papst setzen kann, ist jene nach Zentrierung seines Wirkens auf die Kernbotschaft des Christentums, die Liebe. Damit ließe sich ein zeitloses, menschliches Urbedürfnis ansprechen und die größte Sehnsucht der Menschheit erfüllen. Wenn Papst Leo XIV. die Liebe im jesuanischen Sinne versteht, besteht berechtigte Hoffnung, dass sich auch die großen Herausforderungen der Kirche wie Stellenwert der Frau oder Pflichtzölibat in wahrer Liebe lösen lassen.

Univ.-Prof. Prim. Dr. Reinhard Haller ist Psychiater, Psychotherapeut und früherer Chefarzt des Krankenhauses Maria Ebene.