Kommentar: Die Kunst und De Niro
Unter der Kuppel der Wiener Secession prangt seit bald 130 Jahren ein Wahlspruch in goldenen Lettern, der nicht nur die Wiener Moderne einläutete, sondern auch ein politisches Fluidum beschrieb, in dem ein Grundpfeiler der Demokratie mitgedacht war: „Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit“.
Wer hätte gedacht, dass wir uns so oft und immer wieder um die empfindlichen Wurzeln dieser kostbaren Pflanze sorgen müssen, stöhnt Frau Ammann. Dabei verdanken wir, die glücklichen Nachkriegskinder (ich wiederhole mich gerne) der Demokratie die besten Jahrzehnte, die etliche Generationen des Westens je auf diesem Planeten erleben durften. Aber die Zeiten haben sich geändert. Das Menetekel an der Wand unserer Geschichte schimmert wieder durch.
Selbst im sogenannten Mutterland der Demokratie, den USA, wurde offiziell die Kettensäge ausgepackt, um ihr an den Kragen zu gehen. Merkwürdig spät erst sammeln sich nun starke Stimmen, die lauthals dagegen halten.
Bei den Filmfestspielen in Cannes, die Robert De Niro die goldene Ehrenpalme fürs Lebenswerk verliehen, nützte der Superstar (Frau Ammann verehrt ihn seit sie denken kann . . .) die große Bühne, um Tacheles zu reden – Im O-Ton: „In meinem Land kämpfen wir mit aller Macht um die Demokratie, die wir einst für selbstverständlich hielten. Das betrifft uns alle. Das betrifft uns alle hier, weil die Künste demokratisch sind – Kunst umarmt die Vielfalt“ sagte er in seiner Dankesrede „und deshalb ist die Kunst eine Bedrohung, deshalb sind WIR eine Bedrohung für Autokraten und Faschisten. Amerikas philisterhafter Präsident hat sich selbst zum Leiter einer unserer wichtigsten Kultureinrichtungen ernannt. Er hat die Mittel und die Unterstützung für die Künste, die Geisteswissenschaften und die Bildung gekürzt.“
Frau Ammann hat mir deshalb nachdrücklich empfohlen, die Worte ihres Abgotts, als Fanal in meine Zeilen fließen zu lassen, zumal Trumps Kahlschlag der Uni-Förderungen zu einer tatsächlichen Erosion ganzer Forschergenerationen führen wird. Gelder für Klima, Gender und Diversitätsforschung wurden bereits komplett gestrichen.
„All diese Angriffe sind inakzeptabel“, sagte De Niro, „und das ist nicht nur ein amerikanisches Problem. Es ist ein globales Problem. Wie bei einem Film können wir uns nicht einfach zurücklehnen und zusehen. Wir müssen handeln und wir müssen jetzt handeln, ohne Gewalt, aber mit großer Leidenschaft und Entschlossenheit. Es ist an der Zeit, dass jeder, dem die Freiheit am Herzen liegt, sich organisiert, protestiert und wenn es Wahlen gibt, natürlich auch wählt.“
Das einzig „Positive“ an dieser vertrottelten Liquidation ganzer Wissenschaftszweige an den US Unis ist die Chance, die sich für Europa auftut, in dem wir eine universitäre Willkommenskultur für fliehende junge Forscher etablieren, die gerade dabei sind ihre Jobs in Harvard, Princeton oder Yale zu verlieren, bevor sich die wachen Chinesen die besten Köpfe holen . . .
Reinhold Bilgeri ist Musiker, Schriftsteller und Filmemacher, er lebt als freischaffender Künstler in Lochau.
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