Sternenkind-Mama über Verlust und Neuanfang: „Ich wusste, ich muss wieder aufstehen“

Bregenz Nach der Matura am Borg Lauterach ging Sophia Rüscher als Au-pair-Mädchen für ein Jahr nach Amerika. “Ich musste mich um Jack kümmern, einen eineinhalbjährigen Buben.” Die Verantwortung war groß, aber die Tochter einer Logopädin und eines Zahnarztes aus Bregenz ging in ihrer Aufgabe auf. “Ich habe das Kind geliebt.” Durch Jack wurde ihr klar, dass sie einmal eigene Kinder haben möchte.

Ein Jahr in Barcelona studiert

Aber zunächst wollte sie sich in einem Beruf etablieren. Sophia absolvierte das internationale Tourismuskolleg in Bad Vöslau. Als sie im Hotel Hilton auf den Seychellen arbeitete, wurde ihr aber bewusst, “dass der Tourismus nicht meins ist”. Daraufhin sattelte sie um. Sie studierte internationale Betriebswirtschaftslehre in Wien. Dort machte sie den Bachelor. “Das einjährige Studium zum Master habe ich dann in Barcelona absolviert.” Danach heuerte sie erfolgreich bei dem Medienverlag Mediaplanet an. Das Verlagshaus hat sich weltweit auf Medienkampagnen spezialisiert – von Print-Beilagen in Zeitungen bis zu Online-Formaten. “Ich bin für den Inhalt der Themenzeitungen verantwortlich, die letzte handelte von Volkskrankheiten.” Der Job gefällt ihr. Denn: “Ich liebe es, kreativ zu sein.”

2019 wurde die erfolgreiche Projektmanagerin mit Theo schwanger. „Es war ein Weihnachtswunder. Mein Mann und ich dachten nicht, dass es so schnell passiert.“ Aber in der Schwangerschaft kam es zu Komplikationen. „Ich spürte, dass etwas nicht stimmte. Mir ging es nicht gut.“ Im Spital wurde klar, dass sie aufgrund einer vorzeitigen Plazentalösung innerlich blutete. „Es war eine lebensgefährliche Situation. Meine Überlebenschance lag bei 50 Prozent.“ Sophia überlebte, aber Theo wurde am 15. Mai 2020 tot geboren. „Das war der schlimmste Moment meines Lebens.“

Sophia brauchte eine Weile, um sich von dem Schicksalsschlag zu erholen. “Meine Mutter fing mich auf. Ich ging aber auch in Therapie. Denn ich litt an einer posttraumatischen Belastungsstörung.” Im August 2020 wurde Sophia wieder schwanger. “Das war unsere Rettung. Konstantin kam am 11. Mai 2021 per Kaiserschnitt zur Welt. Es war ein wunderschönes Erlebnis. Seitdem steht die Welt nicht mehr still.” Zwei Jahre später bekam Konstantin mit Valentin noch einen Bruder. Sophia ist dankbar, dass sie zwei gesunden Kindern das Leben schenken durfte.

Getragen von tiefer Dankbarkeit wollte sie anderen helfen – und gründete zusammen mit Andrea Frede, die ebenfalls ein Kind verloren hat, die Gesprächsgruppe “sternenklar”. Sie ist eine Anlaufstelle für all jene, die ihr Kind während der Schwangerschaft oder bei der Geburt verloren haben. Bei den Zusammenkünften merkte die Bregenzerin, dass sie für manche ein Rettungsanker bzw. eine Stütze sein konnte. “Das ist ein schönes Gefühl.”

Das gipfelte schließlich darin, dass die 36-Jährige heute auch als Lebens- und Sozialberaterin arbeitet. Ihre Praxis hat die psychologische Beraterin in der Josef-Huter-Straße 21 in Bregenz. “Ich gebe Hilfe zur Selbsthilfe und begleite Menschen vor allem in Umbruchphasen.” Sophia unterstützt unter anderem bei Verlusten, bei Scheidung, bei Krankheit und Pensionsantritt und bei Wiedereinstieg, Kündigung und Persönlichkeitsentwicklung. Sie hat auch Workbooks zu verschiedenen Themen wie Work-Life-Balance, Selbstwert oder Ängste und Sorgen gestaltet. “Mit diesen Arbeits- bzw. Übungsbüchern können die Menschen selbst arbeiten. Durch sie kann man genauer auf sein Thema hinschauen.”

Sophias Leben ist ausgefüllt. Aber sie schafft den Spagat zwischen Familie und Beruf. “Meine Kinder bedeuten mir alles, trotzdem wäre ich nicht glücklich, wenn ich nur zu Hause bei den Kindern wäre. Ich brauche etwas Eigenes, das mich erfüllt. Außerdem ist mir finanzielle Unabhängigkeit wichtig.”