Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Kolumne: Wie früher

Vorarlberg / 09.07.2025 • 08:41 Uhr

Ich traf Nina, die ich als Kind schon gekannt habe. Sie war nun dreizehn Jahre älter, hatte sich kaum verändert, das kleine Gesicht und das ängstliche Kinn, die grauen Augen und so mager.

Sie stand unschlüssig da, und so fragte ich sie, ob wir einen Kaffee miteinander trinken.

„Sag, wie geht es dir so?“, fragte ich. „Was machst du, studierst du?“

„Nur das nicht!“, rief sie aus. „Ich will heiraten und vier Kinder haben und will mich dann um meine Familie kümmern, meinem Mann sein Lieblingsessen kochen, mit den Kindern spielen, ihnen bei den Hausaufgaben helfen …“

Ich unterbrach sie: „Das willst du und nichts weiter?“

„Ich will mein Heim gestalten“, sagte sie. „Macht es Ihnen denn nichts aus, wie die Welt heute ist? Da muss man doch auf sich schauen. Ich will stricken, jedem meiner Leute ein Jäckchen oder einen Pullover. Ein Kleidchen aus weicher Wolle, für mein Mädchen, das ich haben werde.“

„Und hast du denn einen Mann, der gut genug verdient?“, fragte ich.

Sie gab mir keine Antwort, redete weiter. „Ich will mich mit anderen Hausfrauen austauschen, ihre Rezepte ausprobieren, so wie sie meine Rezepte ausprobieren. Ich will das Beste in dieser Welt, wo sich keiner mehr auskennt. Wenn das nur jeder täte, sage ich zu meiner Freundin, die gleich denkt wie ich. Wir lassen das Schlechte nicht in unser Haus. Jedenfalls will ich nicht so werden wie meine Mutter, die sich von meinem Vater getrennt hat, um sich zu verwirklichen. Sie ist Pflegerin im Spital, und am Abend sind ihre Füße geschwollen. Sie hat sich ihre Freiheit anders vorgestellt. Wenn der Sonntag endlich wieder ein Sonntag wird, mit Sonntagsbraten und von mir aus auch mit Kirche, wenn das mein Mann will. Am Nachmittag Kaffee und Kuchen. Ich muss mir einen Mann suchen, das ist so schwer heute. Man sagt, bei der Arbeit sei es günstig, im Internet ist das wie die Katze im Sack. Das will ich nicht. Warum kann ich die Zeit nicht zurückdrehen, und so leben wie die Frauen früher!“

„Wie in den Fünfzigerjahren?“, sage ich.

„Es liegt an der bösen Welt“, sagt Nina. „Weil die Welt so verdorben ist, müssen die Frauen dagegen halten. Glauben Sie nicht?“

„Ich weiß nicht, ob ich auch so denken kann“, sage ich.

„Ich gehe mit meiner Freundin in ein Strickkino. Das heißt so, weil man da bei gedämpftem Licht stricken kann, ohne dabei eine Masche fallen zu lassen und sich dabei noch einen Film anschauen. In einem Jahr werde ich meinen Strickmantel fertig haben.“

„Zeigst du ihn mir dann, Nina?“, frage ich.

Sie antwortet mir nicht.

Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.