Jeder Zweite fällt durch: Das lukrative Geschäft mit den Fahrprüfungen

Vorarlberg / 07.08.2025 • 05:50 Uhr
Jeder Zweite fällt durch: Das lukrative Geschäft mit den Fahrprüfungen
VN

Wer die Prüfer sind und was sie verdienen: Eine exklusive VN-Recherche zeigt, wie Sachverständige zu üppigen Nebeneinkünften kommen und warum auffällige Prüfergebnisse jetzt auch die Landesregierung beschäftigen.

Bregenz Der Verdacht wiegt schwer. Es geht um mögliche Bereicherung einzelner Sachverständiger bei Fahrprüfungen. Weil Führerscheinanwärter reihenweise durchfallen, haben im Vorjahr Fahrschulen Alarm geschlagen. Tatsächlich ist die Durchfallquote in keinem anderen Bundesland so hoch wie in Vorarlberg. Ein gutes Geschäft auf dem Rücken der Prüflinge vor allem für die Sachverständigen, wie Recherchen jetzt vermuten lassen. Den VN liegen vertrauliche Listen zu den Vergütungen der Fahrprüfungen über mehrere Jahre vor. Sie dokumentieren Nebeneinkünfte für Justiz-, Landes- und Behördenmitarbeiter sowie leitende Polizisten von bis zu knapp 50.000 Euro im Jahr.

Jeder Zweite fällt durch: Das lukrative Geschäft mit den Fahrprüfungen
Den VN liegen exklusiv vertrauliche Listen zu den Vergütungen der Fahrprüfungen über mehrere Jahre vor. VN/Gasser

Es ist eine Schieflage eingetreten, die lange niemand erklären konnte. In den Rechenschaftsberichten des Landes lässt sich die Entwicklung verfolgen. Zwischen 2013 und 2023 hat sich die Zahl der nicht bestandenen Fahrprüfungen von rund 2000 auf 4350 mehr als verdoppelt (bei steigender Gesamtzahl). Es sind dies die jüngsten Zahlen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Im bereits publizierten Bericht für 2024 scheinen sie nicht mehr auf. Trotz Nachfrage blieben die Zahlen auch gestern unter Verschluss. Das dürfte einen guten Grund haben: Sie sollen verheerend sein. Diesen Schluss lässt jedenfalls ein den VN vorliegender Bundesländervergleich zu. Demnach ist Vorarlberg seit drei Jahren negatives Schlusslicht. Die Durchfallquote lag im Vorjahr bei 49 Prozent, Wien kam mit dem zweitschlechtesten Ergebnis auf 45 Prozent – und das trotz deutlich schwierigerer Prüfungsbedingungen im Großstadtverkehr.

Jeder Zweite fällt durch: Das lukrative Geschäft mit den Fahrprüfungen
Barbara Germann-Frener, Sprecherin der Fahrschulen: “Wir setzen alles daran, dass Fahrschüler bei der Fahrprüfung möglichst beim ersten Mal durchkommen. Wiederholungsgebühren sind kein Geschäftsmodell”.

Schilderungen von mehreren Betroffenen, die bei Prüfungsfahrten durchgefallen sind, könnten den Eindruck von Willkür erwecken. Jedenfalls scheint das österreichweit genormte Prüfungshandbuch erheblichen Ermessensspielraum zuzulassen – in Vorarlberg meist zuungunsten der Prüflinge. Wer davon profitiert? “Wiederholungsgebühren von Fahrschülern kassieren, ist kein Geschäftsmodell für uns. Wir setzen alles daran, dass sie bei der Fahrprüfung möglichst beim ersten Mal durchkommen”, winkt die Sprecherin der Fahrschulen in der Wirtschaftskammer, Barbara Germann-Frener, ab. Auch sei die Qualität der Ausbildung im Land in den letzten Jahren gleichbleibend gut.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Mit den auffälligen Prüfungsergebnissen rücken unterdessen die Prüfer selbst ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Insgesamt 31 Sachverständige wurden vom Landeshauptmann für die Aufgabe bestellt. Ein lukrativer Nebenjob, den sich elf interne Mitarbeiter der Verkehrsrechts- und anderen Abteilungen des Landes sowie 20 externe Fahrprüfer teilen. Unter ihnen: Richter, Staatsanwälte und eine große Zahl an Polizisten in leitenden Positionen. Einzelne von ihnen, so schildern mehrere Quellen unabhängig, sind Teil eines Netzwerkes um einen der Behördenmitarbeiter. Gemeinsam ist ihnen die Aussicht auf ein finanzielles Zubrot, das je nach Anzahl der Prüfungen üppig ausfallen kann. Das zeigen den VN vorliegende Vergütungslisten für das Jahr 2024. Zwei Richter kamen demnach auf jeweils gut 20.000 Euro, ein Polizeikommandant als Spitzenreiter auf 47.092 Euro und ein leitender Verwaltungspolizist auf 46.726 Euro.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Das Geschäft mit den Fahrprüfungen war für die Sachverständigen im Vorjahr in Summe 580.000 Euro schwer – einen erklecklichen Anteil steuerten Wiederholungsprüfungen bei. In die Vorgänge involvierte Personen schildern, dass bei rund einem Dutzend Prüfer ungewöhnlich hohe Durchfallquoten verzeichnet wurden, extrem hohe bei knapp einer Handvoll. Das Durchkommen bei einer Fahrprüfung hängt demnach stark davon ab, welcher Sachverständige eingeteilt ist. “Es gibt Prüfer, da weiß man schon, dass es eine schwierige Angelegenheit wird”, beschreibt Barbara Germann-Frener aus der Praxis.

Wissen Sie etwas über diesen Fall?

Jeder Zweite fällt durch: Das lukrative Geschäft mit den Fahrprüfungen
Landesstatthalter Christof Bitschi.philipp steurer

Die undurchsichtigen Vorgänge haben mittlerweile auch die Politik auf den Plan gerufen. Eine Arbeitsgruppe wurde eingerichtet. Ihr gehören der zuständige Landesrat Christof Bitschi, Vertreter der Behörde und der Fahrschulen an. Laut VN-Informationen stehen seither jene Sachverständigen mit besonders hohen Durchfallquoten unter Beobachtung. Dem ein oder anderen Prüfling könnte das bereits zum Führerschein verholfen haben. Für das erste Quartal verzeichnet die Statistik zumindest einen kleinen Rückgang bei nicht bestandenen Fahrprüfungen. Für alle anderen, die möglicherweise zu Unrecht durchgefallen sind, ist das allerdings nur ein schwacher Trost.