Reinhold Bilgeri

Kommentar

Reinhold Bilgeri

Kommentar: Die getrennten Staaten

Vorarlberg / 16.10.2025 • 08:00 Uhr

Amerika, Du Verrückte, quo vadis?  Frau Ammann und ich, wir waren beide im Frühling unseres Lebens einem euphorischen Glauben erlegen, Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die Wiege des Jazz, des Blues, der Filmkunst, würde zu unseren Lebzeiten, eine fixe Größe bleiben. Irrtum. Nur die Sehnsucht ist geblieben, denn die Realität stinkt zum Himmel und die Hoffnung welkt –  die Vereinigten sind zu getrennten Staaten geworden. 

Der erste Putsch am 6. Jänner 2021 war noch gescheitert, um vier Jahre später auf legale Weise Manifest zu werden. Erinnerungen an unsere dreißiger Jahre werden wach.

2024 wurde ein 34-fach verurteilter Verbrecher tatsächlich zum zweiten Mal zum Präsidenten der USA gewählt. Staat und Religion sind dort gerade dabei, eine historisch toxische Verbindung einzugehen, die man längst überwunden glaubte.

Zu oft führte die Vereinnahmung staatlicher Macht durch religiöse Gruppen zu Chaos und Gewalt, weil sich der „Führer“  und seine vernunftresistenten Anhänger („God, Guns, Trump!“) die Legitimation aus einem Himmel holen, der keine Argumente zulässt.

  Seltsamerweise hat ein gewisser Frank Zappa, vielleicht der intellektuellste unter den US-Stars der 80er, schon 1986 (also zur Reagen-Zeit) vor einem wachsenden Potenzial in der amerikanischen Gesellschaft gewarnt, das im Keim mit einer faschistischen Theokratie flirtet und eine politische Agenda betreibt, die eine aggressive Durchsetzung ultrakonservativer Werte anstrebt. Die Folge:  Fackel-Aufmärsche, fanatische Evangelikale, den Kopf voller Bibelstellen, das Herz voller Hass, „Trad-Wifes“, die sich dem Manne unterordnen und wissenschaftsfeindliche Kreationisten, die auf Darwins Evolutionstheorie pfeifen. Idioten übernehmen das Ruder.

  Das Bildungsministerium wurde als erstes abgeschafft, ein Teil der Medien gekapert, die Justiz mit Loyalisten unterwandert, der Oberste Gerichtshof auf den „Messias“ eingeschworen und seit neuestem die Nationalgarde gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Das klassische Drehbuch zur Installierung einer Diktatur, geschrieben von Tech-Oligarchen, denen Demokratie zuwider ist. Elon Musk meinte kürzlich: „Die größte Schwäche des Westens ist die Empathie“ …. also genau DIE Fähigkeit, die uns in der Evolutionsgeschichte vorangebracht und damit die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Zivilisation beschert hatte. O-Ton Trump: „Ihr müsst in vier Jahren gar nicht erneut wählen.“ Echt?

  Ja. Wir sehen in Echtzeit die Demontage einer der ältesten Demokratien der Welt, die Aufweichung der Trennung zwischen Staat und Kirche, Befeuerung des Rassismus, also „weißer Vorherrschaft“ und das in einem Land, das durch Migration groß geworden ist.

Wir sollten eigentlich erwachsen genug sein, die rechtslastige Revolte, die auch durch Europa weht, zu überwinden. Jedenfalls müssten nach all dem US-Chaos auch die feurigsten Trumpversteher hierzulande endgültig gewarnt sein.

Reinhold Bilgeri ist Musiker, Schriftsteller und Filmemacher, er lebt als freischaffender Künstler in Lochau.