Kommentar: Bürger? Egal!
Gut möglich, dass alles anders gelaufen wäre, wenn Landeshauptmann Markus Wallner und Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (beide ÖVP) die Spitalsreform mit einer Bürgervertreterin oder einem Bürgervertreter präsentiert hätten. Und zwar als vorläufigen Endpunkt eines offenen Prozesses, bei dem es darum geht, aus möglichst vielen, die daran interessiert sind, Beteiligte zu machen.
So aber haben Wallner und Rüscher einen Aufstand provoziert, der in Verbindung mit anderem steht, was Bürgern das Gefühl gibt, dass in diesem Land zu vieles nicht mehr stimmt: Lange galt Vorarlberg im österreichweiten Vergleich als großes Vorbild in Bezug auf die Haushaltsführung. Plötzlich aber werden Schulden in dreistelliger Millionenhöhe pro Jahr gemacht, ist diese Position gefährdet.
Seit dem Sommer lässt die Führerscheinaffäre daran zweifeln, dass staatlicherseits gerechte Verhältnisse garantiert werden. Dass man nicht der Willkür eines geldgierigen Prüfers ausgeliefert sein kann. Und dass, wenn so etwas doch einmal passiert, umgehend und umfassend Konsequenzen gezogen werden, wozu es auch im Einflussbereich des Landes jedoch nicht gekommen ist.
Das ist gefährlich. Und gerade weil jetzt große Reformen anstehen, es jedoch in Teilen der Bevölkerung ebensogroßes Misstrauen gegenüber der Politik gibt, wäre es wichtig, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. All jenen 57.000, die die Petition für den Erhalt der Geburtshilfe, Gynökologie und Kinderheilkunde in Dornbirn unterstützt haben bisher, nicht abwertend auszurichten, dass sie das bloß aus einer Emotion heraus getan hätten, sondern zu erkennen, dass es ein paar Tausend vielleicht auch darum gegangen ist, ein Zeichen dagegen zu setzen, dass hier von oben herab Fakten geschaffen werden, die alles anders als vernünftig wirken. Dass Bürgern sowie unmittelbar betroffenen Ärztinnen und Pflegern unter ihnen signalisiert wird, dass ihre Expertise vollkommen egal ist.
Die Vorgangsweise der schwarz-blauen Landesregierung ist nicht verboten. Nirgends steht geschrieben, dass bei derartigen Veränderungen eine Volksmeinung zu berücksichtigen ist. Die Vorgangsweise ist jedoch unvernünftig.
Seit geraumer Zeit gibt es in der Politik (auch auf Bundesebene) eine Tendenz zu Bürgerferne. Als werde angenommen, dass Auftritte in sozialen Medien den persönlichen Austausch ersetzen könnten. Was für ein Irrtum.
Mehr denn je müssten Politiker und Parteien, die Wahlen zu schlagen haben, auch selbst daran interessiert sein, mit Bürgerversammlungen und Bürgerräten zu arbeiten. So könnten unpopuläre Maßnahmen, die unausweichlich erscheinen, wenn schon nicht populär, dann wenigstens mehrheitsfähig gemacht werden. Sonst ist das auf Dauer schlicht unmöglich.
Wird eine Spitalsreform etwa offen und im intensiven Austausch mit, sagen wir, 50 Bürgern inklusive unmittelbar Betroffenen entwickelt, kann Verständnis für Problemlagen entstehen. Wird am Ende bei der Präsentation des Ergebnisses ein Bürgervertreter wohl mitteilen, dass nicht alle begeistert seien. Er wird aber mit größerer Wahrscheinlichkeit berichten können, dass es eine breite Akzeptanz dafür gebe. Womit viel gewonnen wäre.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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