Missbrauchsfall in SOS-Kinderdorf

Mittlerweile verstorbener österreichischer Großspender unter Verdacht.
Wien Ein österreichischer Großspender von SOS-Kinderdorf steht im Verdacht, bei seinen Besuchen in einem südostasiatischen Land die unter Betreuung stehenden Kinder sexuell missbraucht zu haben, gab die Organisation am Mittwoch bekannt. Der Mann, der inzwischen verstorben ist, reiste in den Jahren 2010 bis 2014 dort hin, weil er den Aufbau eines Dorfes mitfinanzierte – und zwar im hohen sechsstelligen Eurobereich.
Acht Minderjährige sind betroffen, die Buben sind mittlerweile junge Erwachsene, sagte Elisabeth Hauser, Geschäftsführerin von SOS-Kinderdorf Österreich, bei einem Pressegespräch. Die Übergriffe sind bei den Besuchen aufgefallen, der Mann blieb stets einige Tage dort. Daraufhin hat das betroffene Land, das SOS-Kinderdorf aus Kinderschutzgründen nicht nennen wollte, bekannt gegeben, dass ein Besuch des Spenders nicht mehr erwünscht sei.
Bericht in Auftrag gegeben
Der Mann, der sich über den Besuchsstopp nicht erfreut zeigte, hatte sich dann bei der Organisation beschwert. Spenden kamen von seiner Seite keine mehr, allerdings war der Aufbau des Dorfes zu diesem Zeitpunkt bereits ausfinanziert. Dann habe laut Hauser das Land einen Bericht in Auftrag gegeben, um diese Vorwürfe zu untersuchen. „Und diese wurden uns erst 2021 zur Kenntnis gebracht.“ Warum sich die Organisation nicht bereits 2014 die Frage gestellt hatte, warum das Land die Besuche des Österreichers nicht mehr wollte, dazu meinte Hauser: „Es war für uns damals nicht erkennbar, um welche Vorwürfe es sich da handelt. Wir haben das so respektiert.“ Auf die Frage, ob man die schweren Vorwürfe hätte ahnen können, sagte sie: „Genau das fragen wir uns jetzt. Wir haben die Entscheidung des Landes zur Kenntnis genommen und zu 100 Prozent respektiert. Und haben auch dort die Verantwortung gesehen, entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Wir haben diese Entscheidung nicht hinterfragt.“ Hauser weiter: „Jetzt wollen wir wissen, was wäre unsere Verantwortung gewesen und wie hätten wir reagieren sollen als Spenderverein. Das ist das Dilemma, das sich jetzt auftut und aus dem wir lernen wollen.“
Der Spender wurde 2021 bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten angezeigt. Im August verstarb der Mann, die Ermittlungen wurden eingestellt. Er vermachte der Kinderorganisation sein Haus. Ob SOS-Kinderdorf das Erbe annimmt, ist noch unklar, die Verlassenschaft ist noch nicht abgewickelt, so Hauser.