Der Natur auf der Spur

Der Botaniker und Ökologe Georg Grabherr ist Österreichs „Wissenschaftler des Jahres“.
Wien. (VN-joh) „Das ist mehr oder minder die höchste Auszeichnung, die man in Österreich kriegen kann“, freut sich Georg Grabherr: Der Botaniker und Ökologe wurde gestern vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zum „Wissenschaftler des Jahres 2012“ gekürt. Zumal er nach Physikern, Medizinern und Chemikern als erster Biologe zu dieser Ehre gekommen ist, macht ihn das „natürlich schon ein bisschen stolz“. Zu den ersten Gratulanten zählte prompt Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle: Grabherr habe nicht nur einen grünen Daumen, er habe „vor allem auch ein grünes Herz“, so der Tiroler in einer Aussendung.
Engagierte Kindheit im Land
Geboren in Bregenz und aufgewachsen in Hörbranz, kam der heute 66-jährige Grabherr schon sehr früh zu seinem Fach: „Als Kind hat mich gestört, wie Gleichaltrige Tiere gequält haben.“ Mit 16 sei er dann zum ersten Mal in die damalige Naturschau in der Dornbirner Marktstraße gekommen, um der dortigen Führung gleich einmal Verbesserungsvorschläge zu machen. Und später, im Internat bei den Schulbrüdern in Feldkirch, habe er nachmittags nicht wie die anderen Hausaufgaben machen müssen, sondern „Botanisieren“ gehen dürfen: In Maria Grün oben habe er dann Pflanzen gesammelt, bestimmt und hernach im dortigen Gasthaus den einen oder anderen Most genossen.
Heute blickt Grabherr auf eine lange und bunte wissenschaftliche Karriere zurück: Er ist emeritierter Naturschutzprofessor an der Universität Wien und stellvertretender Direktor des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Liste seiner Studien und Publikationen ist so lang, dass man ein eigenes Buch daraus machen könnte. So hat er das Alter von Hochgebirgsrasen (5000 Jahre) ermittelt und das Projekt „Gloria“ initiiert, bei dem die Auswirkungen des Klimawandels auf die Vegetation in den Bergen untersucht werden. Mit seinen Erkenntnissen brachte es Grabherr in die wichtigsten Wissenschaftsmagazine der Welt, „Nature“ und „Science“.
Der gebürtige Vorarlberger ist bekannt dafür, nicht im Elfenbeinturm der Wissenschaften zu sitzen, sondern sich – gerne auch wortgewaltig – in der Praxis zu engagieren. Und zwar auch in seiner alten Heimat: Grabherr ist etwa Vorsitzender des Vorarlberger Naturschutzrates und Erfinder der seit 2002 stattfindenden Wiesenmeisterschaften; sie sollen Landwirte darin bestärken, ökologisch wertvolle Grünflächen zu schaffen und zu erhalten.
24 Stunden im Einsatz
Wie er all das unter einen Hut bringt? „Ich habe einen 24-Stunden-Tag“, schmunzelt er im VN-Gespräch, um sogleich darauf zu verweisen, dass er sehr gute Mitarbeiter und eine Familie habe, die hinter ihm stehe.
Grabherr arbeitet hauptsächlich in Wien, seinen Lebensmittelpunkt hat er aber im Grünen – in Königstetten im Tullnerfeld, in einem Haus, das von vielfältigster Vegetation mit den seltensten Pflanzen umgeben und über die im vergangenen Jahr sogar ein Bildband erschienen ist: „Ein Garten des 21. Jahrhunderts“ (Edition Lammerhuber).
Bei den Schulbrüdern habe ich ,Botanisieren‘ gehen dürfen.
Georg Grabherr
Zur Person
Univ.-Prof. Georg Grabherr
Botaniker und Ökologe
Geboren: 30. April 1946 in Bregenz, aufgewachsen in Hörbranz
Ausbildung: Studium der Biologie und Erdwissenschaften in Innsbruck
Laufbahn: Assistenz an der Uni Innsbruck, seit 1986 Univ.-Prof. an der Uni Wien. Daneben u.a. Vorsitzender des Vorarlberger Naturschutzrates
Familie: verheiratet, ein Sohn