Schule im zweiten Anlauf

Wetter / 26.09.2013 • 17:26 Uhr
Die Welt ist nicht genug: Zora Kostic (24) trennt nur noch die Geographie-Prüfung vom Hauptschulabschluss. Miriam Nachbaur schaut ihr mit sichtbarer Freude über die Schulter. Foto: VN/Matt

Die Welt ist nicht genug: Zora Kostic (24) trennt nur noch die Geographie-Prüfung vom Hauptschulabschluss. Miriam Nachbaur schaut ihr mit sichtbarer Freude über die Schulter. Foto: VN/Matt

Miriam Nachbaurs Berufsziel ist es, ­Jugendlichen eine ­Zukunft zu erschließen.

Dornbirn. (VN-tm) Natürlich könnte man das Thema getragen angehen, in problembewusster Ernsthaftigkeit. Dann legten sich die mitunter schwierigen Herkunftsgeschichten von Miriam Nachbaurs Klienten wie ein Adagio bleischwer auf die Sätze. Und man läge tief gebettet – entsetzlich daneben. Denn dazu lacht Miriam Nachbaur viel zu gern. Dazu funkelt das angelesene Wissen in Zoras Augen zu übermütig. Nein, das Projekt Albatros der Offenen Jugendarbeit Dornbirn, das in fünf Jahren 112 Jugendliche zum verspäteten Hauptschulabschluss führte, ist zunächst einmal eine lustvolle Angelegenheit. „Bei uns erhalten Jugendliche eine zweite Chance, eine dritte und wenn sie’s brauchen auch eine vierte.“ Und weil sehr viele Zuwanderer darunter sind, hat Albatros heute einen von vier Integrationspreisen des Landes Vorarlberg abgeräumt.

Gesucht – gefunden

Miriam Nachbaur ist seit Projektbeginn an Bord. Als Jugendliche hat sie selber im „Magic“ offene Jugendarbeit kennen- und schätzen gelernt. Nach dem Studium der Erziehungswissenschaften in Innsbruck führte sie der Weg direkt ins „Vismut“ nach Dornbirn. Sie hätte auch eine Jugendwohngemeinschaft übernommen oder wäre beratend tätig geworden. Aber die Wahrheit ist: „Diese Stelle hier hat mich gesucht und gefunden.“

Wochentags beginnt um 9 Uhr früh der Unterricht im Jugendzentrum. Dann geben nicht dröhnende Beats den Takt an, sondern Mathe, Englisch & Co. Miriam und ihre vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lehren alle 14 Fächer. Sie selber ist für Deutsch hauptverantwortlich. „Wir machen viel Bewerbungstrainings mit den Jugendlichen und Berufsvorbereitung“, aber eben auch Rechtschreibung und Grammatik.

Die 34 Jugendlichen dieses Jahrgangs sind zwischen 15 und 25 Jahre alt. Manche haben die vierte Klasse Pflichtschule ohne Zeugnis abgeschlossen. „Unsere Asylwerber“ wiederum brauchen einen Abschluss, der in Österreich anerkannt wird. Die Gruppe dieses Schuljahrs, die vor drei Wochen an den Start ging, „hat sich schon gefunden. Das wird ganz prima.“ Miriam lässt jede Menge Sympathie durchschimmern, und ihr kehliges Lachen erhellt den Raum.

Dabei wird hier keineswegs Schule im herkömmlichen Sinn betrieben. Einmal dauern die Unterrichtseinheiten täglich nur bis 11.30 Uhr. Am Nachmittag stehen Ausflüge auf dem Stundenplan: Zur inatura etwa oder zum Kraftwerk Andelsbuch. Da sehen die Jugendlichen dann Dinge, die ihnen sonst verschlossen blieben. Denn viele kommen aus schwierigen Familienverhältnissen. Da kann es schon vorkommen, dass einer mitten in der Deutschstunde austickt, weil sein Vater ­heute Morgen die Mutter verdroschen hat. Das Team von „Albatros“ ist darauf vorbereitet.

„Bei uns können Jugendliche auch mal für fünf Minuten an die frische Luft oder rüber ins Büro gehen, um sich dort auszusprechen. „Immer ist jemand da, der sie auffängt.“ So bereitet „Albatros“ die jungen Menschen aufs Leben vor. Und wenn man die junge Leiterin des Projekts nach ihren Karrierewünschen fragt, winkt sie nur ab: Sie hofft, dass sie „noch möglichst lange“ hierbleiben darf.

Ein Mitarbeiter ist immer da, um die Jugend­lichen aufzufangen.

Miriam Nachbaur

Zur Person

Miriam Nachbaur

und ihr Team helfen Jugendlichen, ihre Hauptschulabschlüsse nachzumachen. Das Projekt wurde gestern mit dem Integrationspreis ausgezeichnet.

Geboren: 8. Jänner 1982

Ausbildung: Matura, Studium der Erziehungswissenschaften in Innsbruck

Laufbahn: seit März 2008 im Projekt Albatros, seit September 2013 Leiterin

Familie: in Partnerschaft