Über alle Grenzen hinweg

„Tierra madura“ wird zehn. Raquel und Manfred Stemmer arbeiten seit Beginn kräftig mit.
Götzis. (VN-tm) 250 Projekte in zehn Jahren? Und das alles ehrenamtlich? Aber Lateinamerikaner sind umtriebig. Manfred Stemmer weiß das. Beschleichen ihn je Zweifel, braucht er nur seine Frau Raquel anzuschauen.
Seit 13 Jahren sind sie verheiratet, der Vorarlberger und die Bolivianerin. 2001 zogen sie nach Vorarlberg. Seit zehn Jahren gestalten sie den Verein „Tierra madura“ mit. 250 Projekte in zehn Jahren. Dahinter stehen der Künstler Danilo Ortiz aus Kolumbien und der Mexikaner Gerardo Rojas. Gemischte Ehepaare und Familien sonder Zahl. Ein Anliegen eint sie alle: „Wir vermeiden das Wort Integration“, bekräftigt Manfred Stemmer, „es riecht zu sehr nach Problemen.“
20 Nationen in einem Haus
„Tierra madura“, das bedeutet so viel wie „sattes Land“. Die Latinos haben ihre Literatur mitgebracht, ihre Kultur, die Küche, Lebensart. 2007 haben sie mithilfe des Landes in Götzis ihre „Casa latina“ eingerichtet. Heute gehen hier 20 verschiedene Nationen ein und aus. Auch Brasilianer, Russen und Franzosen.
Manfred Stemmer hat nach dem Studium 1999 seinen Auslandszivildienst in Bolivien angetreten. In der Jesuitenmission Santa Anna half er dem Schweizer Architekten und Geistlichen Hans Roth bei Restaurierungsarbeiten. Als Roth wenige Monate später starb, übernahm Manfred Stemmer quasi die Rolle des Diözesanbaumeisters. In Santa Anna de Velasco fand er „dieses einmalige Zusammenspiel aus Architektur, Kunsthandwerk, Musik und alltäglichem Leben“. Und hier arbeitete Raquel als Volksschullehrerin. 2000 wurde Hochzeit gefeiert. Als beide sahen, dass die Kinder europäischer Eltern nur wenig Berufsaussichten hatten, übersiedelten sie nach Vorarlberg. Leicht war das für Raquel nicht. Sie traf auf eine „andere Kultur und andere Sitten . . .“ Und nicht immer auf jene Offenheit, die sie von zu Hause gewöhnt war. Eines Tages, sagt sie, möchte sie auch wieder nach Bolivien. Dabei geht ihr Blick aus dem Fenster und streift über einen nasskalten Himmel. Auch die ungewohnt kalten Winter setzen ihr jedes Jahr zu. Ihre beiden Kinder (zehn und sieben Jahre alt) wachsen ganz natürlich zweisprachig auf. Und wenn Raquel und Manfred mit dem Verein „Tierra madura“ am kommenden Samstag ab 18 Uhr im Lustenauer Theresienheim seinen zehnjährigen Bestand feiern, beweist das auch, wie nachhaltig bereichernd interkulturelle Begegnungen sein können.
Das Wort Integration riecht mir zu sehr nach Problemen.
Manfred Stemmer
Zur Person
Manfred Stemmer
hat vor zehn Jahren den Verein „Tierra madura“ mit aus der Taufe gehoben.
Geboren: 10. April 1971
Ausbildung: Architekturstudium an der TU Innsbruck und Wien
Laufbahn: als Zivildiener 1999 nach Bolivien, 2000 Hochzeit mit Raquel
Familie: verheiratet, zwei Kinder