Stärken und Schwächen

Männer sollten sich auch um ihre Bedürfnisse kümmern, meint Hannes Berthold.
Bludenz. (VN-mm) Er versucht sein Dasein als Mann und Vater zu leben. „In der Theorie funktioniert es super, in der Praxis weniger“, räumt Hannes Berthold unverblümt ein. „Wahrscheinlich“, fügt er vermutend an, „bin ich auch zu wenig Vater.“ So wie viele Männer zu wenig Väter sind bzw. sein können, weil existenzielle und andere Umstände sie davon abhalten. Was den Psychologen, Musiklehrer und freiberuflichen Musiker aus Bludenz vielleicht von anderen seines Geschlechts unterscheidet, ist, dass er sich zumindest bemüht, körperlich und seelisch gesund zu bleiben. Nur dann könnten Männer die ihnen zugedachten oder oft auch auferlegten Rollen ausfüllen, meint Berthold.
Weltmännertag
Morgen ist Weltmännertag. „Ja, es braucht ihn“, bekräftigt der aks-Psychologe. Lange habe sich der Fokus ausschließlich auf die Benachteiligung der Frau gerichtet. Diese Notwendigkeit will Hannes Berthold keineswegs infrage stellen. Heute gebe es aber sehr viele Bereiche, in denen der Mann kaum oder keine Rechte habe. Als Erstes nennt er die häufig fehlende Wertschätzung als Elternteil. Hannes Berthold, der beim aks in der Elternberatung arbeitet, erzählt von „gestandenen Männern, die wie Schlosshunde weinten“, als es Probleme mit den Kindern gab. Er selbst hatte in seiner Tätigkeit lange ebenfalls fast ausschließlich mit Frauen zu tun. „Sie verfügen über mehr Zeit, um die Kinder zu bringen.“ Dann kam das Schlüsselerlebnis mit einem Stotterkind. „Der Bub war lange Zeit der Meinung, sein Vater sei gestorben. Als ihm jedoch erklärt wurde, dass der Papa lebt und nur umgezogen ist, hörte das Stottern auf“, erzählt Hannes Berthold. Obwohl sie schon länger zurückliegt, berührt ihn die Geschichte nach wie vor. Und er hat daraus gelernt. Seitdem lädt er immer auch die Väter zu den Gesprächen ein. Denn: „Für Kinder ist die Beziehung zum Vater etwas Grundlegendes.“ Das werde oft unterschätzt. „Männer spornen Kinder an, einen Schritt zu tun, wo Frauen eher die Sicherheit schätzen“, nennt der dreifache Vater und Liebhaber nordischer Krimilektüre ein Beispiel. „Starke Männer“ braucht es seiner Ansicht nach aber ebenso in sozialen und erzieherischen Bereichen. „Leider sind diese Berufe unterbezahlt“, bedauert Berthold. Außerdem würden Männern oft nicht dieselben pädagogischen Fähigkeiten zugetraut wie Frauen.
Kinder und Karriere
Dass Männer anders sind als Frauen, daran besteht allerdings auch kein Zweifel. „Frauen sind für das innere Wohl einer Familie zuständig, Männer für die äußere Sicherheit“, beschreibt Hannes Berthold die Rollenzuteilung. Wobei das in den vergangenen Jahren kreierte Bild vom „neuen Mann“, der Kinderwagen und Karriere quasi mit links schaukelt, diesen oft ordentlich unter Druck setzt. Da bleibe keine Zeit, auch noch auf sich selbst Rücksicht zu nehmen. Die Folge: „Mann“ räumt alles in den „inneren Schnellkochtopf“, wo der Druck stetig steigt, bis der berühmte letzte Tropfen alles in die Luft jagt. „Eine ungesunde Einstellung“, konstatiert der Fachmann. Ein Gespräch „unter Männern“ hin und wieder, dient als Ventil zum Senken des Drucks, bevor alles explodiert. Um Gefühle auszudrücken, gebe es viele Varianten. Es müsse ja nicht immer das „einfühlsame Gespräch“ sein. Bei Hannes Berthold halten Musik und Motorradausflüge mit seiner Frau den Körper und die Seele im Gleichgewicht.
Um Gefühle auszudrücken, gibt es viele Varianten.
Hannes Berthold
Zur Person
Hannes Berthold
Geboren: 17. September 1961 in Bludenz
Wohnort: Bludenz
Familienstand: Verheiratet, 3 Kinder im Alter von 18 bis 22 Jahren
Beruf: Psychologe, Musiklehrer
Hobbys: Musik, Skifahren, Lesen