Die Leute ernst nehmen

Vildan Ucar tritt auf den Plan, lange bevor der Exekutor klingelt. Sie macht Siedlungsarbeit.
Hohenems. (VN-tm) Eigentlich ist „Delogierungs-Prävention“ ein furchtbarer Ausdruck. Vildan Ucar würde ihn auch kaum gebrauchen. Die gebürtige Bludenzerin kann ja nicht einmal das Wort „Integration“ besonders gut leiden. Wörter wie Begegnung kommen ihr leichter über die Lippen. Daraus entstehen dann Dinge wie der Lauftreff „Bewegung und Begegnung“ für Frauen und Mädchen jeden Alters mit und ohne Zuwanderungshintergrund. Der geht am 3. April um 18.30 Uhr mit anschließender Einkehr am Schlossplatz wieder los. Ucar hat ihn ins Leben gerufen und gleich einen bundesweiten Preis damit gewonnen.
Bedürfnisse erfragt
Als externe Hilfe geht sie neuerdings der Delogierungs-Prävention von Heidi Lorenzi und Elke Oswald vom Institut für Sozialdienste (IfS) zur Hand. In Hohenems hat sie die Siedlungsarbeit aufgenommen. Wie macht man so was? Als Erstes fragte sie die Bewohner der Wohnanlagen von Brühl und Paul-Grüninger-Weg nach ihren Bedürfnissen. Zog mit Block und Bleistift um die Häuser. Hat von 112 Wohnungen 27 von innen gesehen und wurde allerorten gut aufgenommen. „Von türkisch-stämmigen und einheimischen Bewohnern gleichermaßen“, wie sie betont. Die „sehr offenen Gespräche“ dauerten zum Teil zwei Stunden und länger. Auch die Kinder saßen um den Tisch. Drei Wochen lang hat sich Vildan Ucar so ein Bild gemacht.
„Du musst diese Gespräche auf Augenhöhe führen“, sagt sie, „und es auch ehrlich meinen.“ Das ist ihr wichtig. Sie will keine Kosmetik und keine Show. Das haben die Anwohner offenkundig auch gemerkt. Wohnungsstadtrat Bernhard Amann hat viele positive Rückmeldungen erhalten. Und wo drückt die Leute der Schuh?
Oft sind es gar nicht die großen Probleme, die den Alltag erschweren. Kinderlärm zum Beispiel oder zu schnelle Autos, Haustiere sind ebenso ein Thema wie das Reglement der Putzdienste. Die Kinder wünschen sich einen Spielraum und Aktivitäten in der Gemeinschaft. Die Wohnbauträger haben am Montag den 40-seitigen Bericht von Vildan Ucar erhalten und ackern den nun durch. Ohne Wohnbauselbsthilfe und VOGEWOSI wäre das Projekt undenkbar. Mit den Bauträgern sind nun konkrete Lösungen in Sicht.
Notwohnungen vor Ort
Aber was hat das nun mit drohenden Zwangsräumungen zu tun? Mancherlei. Einmal gibt es auch Notwohnungen vor Ort. Dorthin werden von der Stadt mitunter Familien vermittelt, die eben delogiert wurden. Zum anderen blickt Vildan Ucar auch da und dort hinter die Kulissen.
Sie hat Kontakt knüpfen können mit jener Mutter, deren Mann krank ist und deren Kind von der Jugendwohlfahrt begleitet wird. Sie vermittelt zwischen Hausverwaltung und Mietern. In manchen Fällen sind die Mieten ausständig. Hier kann nun Heidi Lorenzi helfend eingreifen. Dass in Vorarlberg 2013 insgesamt nur 731 Räumungsverfahren bei Gericht eingebracht wurden, verdankt sich frühzeitiger Kontaktaufnahme. Die Delogierungs-Prävention des IfS macht sich – so furchtbar das Wort auch klingen mag – bezahlt. Menschen wir Vildan Ucar ebnen ihr den Weg.
Du musst die Gespräche auf Augenhöhe führen und es ernst meinen.
Vildan Ucar
Zur Person
Vildan Ucar
betreibt Siedlungsarbeit in Hohenems.
Geboren: 27. März 1979 in Bludenz
Ausbildung: Abend-HAK, Seminare zur Elternbildung, Ausbildung zur Dolmetscherin
Laufbahn: erst in der kaufmännischen Verwaltung eines Unternehmens, seit 2009 mehr und mehr Sozialarbeit
Familie: verheiratet, zwei Kinder: Sevde (7) und Semih Kaan (4)