Älpler mit Leib und Seele

Wetter / 16.09.2014 • 18:23 Uhr
Nach einem verregneten Alpsommer kehrte Hermann Loretz, der Großhirte der Alpe Innerkapell, am Wochenende ins Tal zurück. Foto:vn/kh
Nach einem verregneten Alpsommer kehrte Hermann Loretz, der Großhirte der Alpe Innerkapell, am Wochenende ins Tal zurück. Foto:vn/kh

Auf der Alpe fühlt sich der Hirte Hermann Loretz daheim.   

Bartholomäberg. (VN-kum) Am vergangenen Wochenende kam der Großhirte ins Tal zurück. Hermann Loretz (66) verbrachte den neunten Sommer auf der Alpe Innerkapell am Hochjoch. Als Hirte war er für 42 Stück Vieh verantwortlich. Loretz ist stolz darauf, dass er alle Rinder heil ins Tal brachte. Wegen des verregneten und kalten Sommers verkürzte sich jedoch die Alp­zeit. „Wir wären noch zehn Tage länger oben geblieben. Aber es gab nur wenig Futter für das Vieh. Das Gras wuchs nicht, weil der Boden zu kalt war.“ Sein Kollege, der Senn, schrieb auf, wie viele schöne Tage es in diesem Alpsommer gab. „Er kam nur auf 15 Tage.“ Fürs Alpvolk sei der Sommer miserabel gewesen. „Wir sind viel im Wasser gestanden.“ Der Regen sei aber nicht das Schlimmste gewesen. „Was uns zugesetzt hat, war die Kälte.“ Schwermut habe sich auf die Älpler gelegt. „Unser Humor war nicht so gut.“

Schätzt die Ruhe auf der Alpe

Trotzdem hätte es der Bartholomäberger „noch locker 14 Tage ausgehalten“. Denn Loretz liebt das Leben auf der Alpe. Es ist vor allem die Ruhe, die er dort oben schätzt. „Du hörst nur die Kuhglocken und lebst in und mit der Natur.“ Außerdem mag er das Vieh und die Arbeit mit ihm. Das Hüten und Melken bereitet ihm viel Freude. Loretz lernte das Älplerleben schon früh kennen. „Ich war sechs, als mich meine Eltern zum ersten Mal auf die Alpe schickten. So hatten sie weniger Mäuler zu stopfen.“ Der älteste Sohn eines Bergbauern kann sich nicht erinnern, dass er jemals Heimweh gehabt hätte. Dabei war das Alpleben hart, schon gar für einen so kleinen Buben, wie er es war. „Wir arbeiteten den ganzen Tag, von fünf Uhr in der Früh bis zirka 20 Uhr.“ Manchmal war das Kind verzagt. Aber nicht wegen der Arbeit. Ein Großhirte machte ihm auf einer Alpe am Arlberg das Leben schwer. „Er war ein böser Mann. Wenn ich Fehler gemacht habe, warf er einen Stecken nach mir.“ Dort oben verunglückte der Bub auch schwer. Ein Ochse hatte sich im Geäst von Bäumen verhangen. Als der Kleinhirte versuchte, das Tier zu befreien, traf ihn ein Ast am Nasenbein. „Ich bin fast verblutet. Meine Eltern stellten schon Kerzen und Kreuze auf.“

Bis zu seinem 16. Lebensjahr verdingte sich der Montafoner im Sommer auf verschiedenen Alpen. Dann stieg er ins Berufsleben ein. Er arbeitete als Maschinenführer und als Betriebsschlosser. Die Sehnsucht nach der Alpe blieb. Im Jahre 2000 fragte man ihn, ob er nicht für ein paar Wochen auf der Alpe Latons als Kleinhirte einspringen könnte. Loretz packte die Chance am Schopf, nahm sich Urlaub und verbrachte einen Monat auf der Alpe. Es war für ihn „eine schöne Zeit“ und der Auftakt zu einem neuen, aber einfacheren Älperleben.

Das harte Leben auf der Alpe

„Es hat sich viel zum Guten gewendet. Früher war das Leben auf der Alpe viel härter.“ Da gab es noch keinen Strom. „Wir behalfen uns mit Petroleumlampen“;  keine Toiletten, keine Dusche und keine Waschmaschine. „Wir wuschen uns am Brunnen mit kaltem Wasser.“ Die Kleidung (aus Loden) wurde von Hand gewaschen und zum Trocknen aufs Dach gelegt. Geschlafen wurde nicht in Betten, sondern auf Heu oder Stroh. Zu essen gab es immer das Gleiche: Milchmus, Milchsuppe, Riebel und Erdäpfel. Gemolken wurde mit der Hand und das Butterfaß mit der Hand gekurbelt.

Diesem Älperleben trauert Loretz nicht nach. Er schätzt die Annehmlichkeiten der Moderne. Aber eines bedauert der Großhirte: „Durch den Fremdenverkehr ist das Alpvolk nicht mehr wochenlang allein. Früher hat man eher einen Hirsch angetroffen als einen Menschen.“                            

Ich schätze die Ruhe. Dort oben hörst du nur die Kuhglocken.

Hermann Loretz

Zur Person

Hermann Loretz

Geboren: 31.10. 1947

Wohnort: Bartholomäberg

Ausbildung: Maschinenführer, Betriebsschlosser

Familie: verwitwet, drei Kinder, acht Enkel

Hobbys: Wandern, Motorradfahren