Das alternative Drehbuch

Petra Girardis Leben ist durch den Autismus ihres Sohnes Christopher bestimmt.
Dornbirn. (VN-hk) „Vielleicht wäre mir langweilig.“ Petra Girardi denkt nicht lange nach, als sie das sagt. Die gebürtige Mellauerin gibt diese Antwort auf die Frage, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wäre ihr mittlerweile 23-jähriger Sohn Christopher nicht Autist.
Beschäftigt hat sie diese Frage nie wirklich. Denn Christopher ist nun mal autistisch. Als sich dieses Wesensbild ihres Zweitgeborenen vor 19 Jahren abzeichnete, „wollte ich gar nichts davon wissen und gar nicht zuhören“. Doch als Petra Girardi dann der Realität frontal ins Auge blickte, ordnete sie sich dem alternativen Drehbuch ihres Lebens mit bedingungsloser Konsequenz unter. „Der Alltag mit einem autistischen Kind erfordert exakte Strukturen. Es muss jede Woche, jeder Tag gut geplant werden“, weiß die in Höchst lebende Frau, die noch einen älteren Sohn hat. „Für den war es natürlich auch nicht so leicht“, erzählt Petra Girardi im stolzen Bewusstsein dessen, dass der ältere für seinen jüngeren Bruder heute dennoch ein großes Herz hat.
Kein Weg zu lang
Petra Girardi war nie ein Weg zu lang oder eine Therapie zu teuer. Immer wieder fand sie Mittel und Wege, um für Christopher beste Lebensbedingungen zu schaffen. Ihr Engagment geht dabei weit über die Betreuung ihres Sohnes hinaus. Sie ist in Vorarlberg schon längst zu einer unermüdlichen Kämpferin für das Verständnis und die Akzeptanz von autistischen Menschen geworden. Nicht nur für Christopher hat Petra Girardi die Jet-Tankstelle in Dornbirn-Schwefel gepachtet. Dort finden auch andere autistische Jugendliche und junge Erwachsene Beschäftigung.
Darüber hinaus gründete sie eine Firma, in der sie Fachpersonal für autistische Menschen vermittelt. Für Christopher kann sie sagen: „Mein Sohn hat ein Maximum an Lebensqualität.“
Starke Persönlichkeit
Eine starke Persönlichkeit war die überzeugte Bregenzerwälderin schon immer. Aufgewachsen in einer Großfamilie mit drei Geschwistern in Mellau übernahm sie früh und gerne Verantwortung. Disziplin, klare Strukturen und soziale Kompetenz sind für sie nicht theoretische Begriffe, sondern Dinge, die in Fleisch und Blut übergegangen sind. Ihr Tagesablauf gleicht dem eines gestressten Managers mit Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit. Vier Uhr Tagwache, Tankstelle, danach zurück ins Höchster Heim, um Christopher zu wecken, wieder retour an die Tankstelle, den Tag für Christopher und ihren Betrieb managen, Bürokratie bewältigen, und, und, und … Sieben Tage die Woche.
Die Selbstverständlichkeit
Den Weltautismustag muss Petra Girardi nicht mehr extra zelebrieren. Sie hat Autismustage seit 19 Jahren nahezu täglich und tut alles dafür, ihrem Sohn und anderen mit gleichem Schicksal ein Dasein in Würde zu ermöglichen. Für sie selber bleibt da wenig übrig. „Nur einmal im Jahr genehmige ich mir zehn bis 15 Tage. Dann bin ich nicht erreichbar und genieße die Zeit mit mir selbst“, verrät die zweifache Mutter.
Fix in ihrem Jahresplan ist stets auch eine Woche Urlaub nur mit ihrem Sohn Christopher. Meistens geht es dann an ein Gewässer. Denn: „Christopher schwimmt wie ein Fisch und genießt das.“ Was Christopher liebt, ist für die Mama Auftrag. Und das mit einer Selbstverständlichkeit, die wohl nur tiefer Mutterliebe innewohnt. Auch wenn sich Petra Girardi manchmal zu denken traut: „Ach, wäre der Christopher doch nur normal.“
Mein Sohn Christopher hat ein Maximum an Lebensqualität.
Petra Girardi
Zur Person
Petra Girardi
Geboren: 14. Mai 1965
Wohnort: Höchst
Familie: zwei Söhne
Beruf: Unternehmerin
Hobbys: See, Skifahren
Lieblingsspeise: Käsknöpfle