Hinauf kommt fast jeder

Michael Kasper hat den Piz Buin nicht nur bestiegen, der Historiker hat den höchsten Berg Vorarlbergs beleuchtet.
Schruns. (VN-cd) Etwaigen Bewunderern nimmt er gleich einmal den Wind aus den Segeln. Der 3312 Meter hohe Piz Buin stelle für Bergsteiger keine allzu große Herausforderung dar, hält er für all jene fest, die das Erklimmen des Gipfels als besonderen Leistungsbeweis dokumentieren wollen. Der Historiker Michael Kasper weiß, wovon er spricht, er hat den höchsten Berg Vorarlbergs bereits drei Mal bestiegen, zum ersten Mal als Jungspund. Ans exakte Datum kann er sich nicht mehr erinnern, wohl aber an andere Tatsachen, die für den Historiker und Direktor der Montafoner Museen von Bedeutung sind. Der Piz Buin befindet sich nämlich im Bereich von Flucht- und Säumerwegen, und wer sich für Umwelteinflüsse bzw. klimatische und geologische Veränderungen interessiert, darf feststellen, dass sich auch an den beiden Gletschern am Fuß dieses Berges das abzeichnet, was allein in den letzten Jahrzehnten an vielen Orten zu beobachten war: Sie ziehen sich zurück.
Wanderausstellung
All das wird unter anderem in einer Ausstellung thematisiert, die am heutigen Mittwochabend auf der Bielerhöhe eröffnet wird. Michael Kasper hat sie kuratiert. Zuvor wurde sie bereits im Alpinarium in Galtür gezeigt, und ab 15. Juli kommt sie nach Scuol. Dass der Piz Buin ein Grenzberg ist, dessen Erstbesteigung am 14. Juli 1865, also vor 150 Jahren, auch in Tirol und in Graubünden ein Thema ist, zeigt sich somit schon an den drei Ausstellungsorten.
Durch den Grenzverlauf ist das Gebiet um den Berg auch Schauplatz von dramatischen und schrecklichen Ereignissen. Der Schriftsteller Jura Soyfer wurde auf der Flucht vor den Nationalsozialisten im Jahr 1938 kurz nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland in Gargellen von österreichischen Beamten festgenommen und kam im KZ Buchenwald ums Leben. Der Deserteur Nikolaus Staudt wurde im Jahr 1944 kurz vor der Grenze in die Schweiz erschossen. Die gescheiterten Fluchtversuche sind, so Michael Kasper, gut dokumentiert. Es hat im Montafon aber auch Fluchthelfer gegeben, die den Menschen den schwierigen Weg in die Freiheit wiesen.
Wege zählen auch aus anderen Gründen zu den Forschungsgebieten des Historikers. Nachdem Menschen über die Jahrhunderte über diese Gletscher gezogen sind, müssten noch eine Reihe von Gerätschaften zum Vorschein kommen, wenn es schon nicht ein Ötzi bzw. ein „Silvretti“ sei.
Kasper, der vor vier Jahren die Leitung der Montafoner Museen übernommen hat, deren Haupthaus sich in Schruns befindet, beschäftigt sich als Wissenschaftler gerade mit der NS-Zeit, wobei die Zwangsarbeit, etwa bei den Kraftwerken, und der Widerstand Themen sind, die in dieser Talschaft im Vordergrund stehen. In seiner Diplomarbeit hat er übrigens Aspekte der Sozialgeschichte anhand von Steuerbüchern behandelt. Im 17. Jahrhundert beispielsweise war das Reich-Arm-Gefälle enorm, zu einer markanten Veränderung ist es, wie er ausführt, um 1800 im Zuge einer Inflation gekommen. Im 19. Jahrhundert habe dann der aufkeimende Tourismus für Einnahmequellen gesorgt. Und in diese Zeit fällt auch die Erstbesteigung des Piz Buin.
Auf der Route zum Piz Buin sind noch einige Funde zu erwarten.
Michael Kasper
Zur Person
Michael Kasper
Geboren: 1980 in Mürzzuschlag, aufgewachsen im Montafon
Ausbildung: Studium Geschichte, Philosophie, Lehramtsstudium
Sozialkunde etc.
Laufbahn: Mitarbeit bei mehreren kulturhistorischen Projekten, u. a. Via Valtellina im Montafon oder zu Forschungen über die Schwabenkinder, seit Juni 2011, Direktor der Montafoner Museen
Familie: verheiratet, zwei Söhne, eine Tochter
Die Ausstellung „Mythos Piz Buin“ wird heute, 24. Juni, 19 Uhr, im Gasthof Piz Buin auf der Bielerhöhe eröffnet und ist bis 14. Juli zu sehen.