Klingt einfach intelligent

Wetter / 07.09.2015 • 18:06 Uhr
Der in Linz und Wien arbeitende Vorarlberger Gerhard Widmer erhielt für seine Forschungen 2,5 Mio. Euro Förderung. Foto: FWF/Ethan Vincent
Der in Linz und Wien arbeitende Vorarlberger Gerhard Widmer erhielt für seine Forschungen 2,5 Mio. Euro Förderung. Foto: FWF/Ethan Vincent

Wie man Computern gefühlvolles Musik­hören lehrt, erklärt Prof. Widmer den VN.

wien. (com) Gerhard Widmer wurde das angesehene Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates zugesprochen. Es handelt sich dabei um eine Förderung von 2,5 Mio. Euro, mit der das Forschungsprojekt „Con Espressione“ finanziert wird. Der Vorarlberger setzte sich damit unter 2.300 Bewerbern durch. Der Erhalt der Forschungsgelder ist gleichzeitig eine Auszeichnung, die nur an respektierte Wissenschaftler geht. Sie müssen auf ihrem Gebiet langjährige richtungsweisende Forschung aufweisen.

Derzeit leitet Gerhard Widmer das Institut für Computational Perception an der Kepler Uni Linz und die Arbeitsgruppe Intelligent Music Processing and Machine Learning am Institut für Künstliche Intelligenz in Wien. Mit seinen Teams forscht er an der Schnittstelle zwischen künstlicher Intelligenz und Musik. Dabei wird Computern beigebracht, Musik wahrzunehmen wie Menschen es tun.

Vielseitig talentiert

„Es ist ein Luxus, hier gelandet zu sein“, sagt er. Für Musik zeigte der Bildsteiner früh Talent. Schon mit fünf Jahren wurde er zum Klavierunterricht nach Wolfurt geschickt. Er hätte Konzertpianist werden können, wäre er nicht zu faul zum Üben gewesen. Nach der Volksschule pendelte er als einer von wenigen nach Bregenz ins Gymnasium. 1979 begann Gerhard Widmer an der TU Wien Informatik zu studieren: „Damals hat kein normaler Mensch leibhaftig einen Computer gesehen.“ Die Studienwahl sei aus Verlegenheit passiert. Rückblickend scheint die Berufswahl also logisch, auch wenn sie nicht von Anfang an als Ziel definiert war.

Unglaubliche Leistungen

1998 erhielt er den START-Preis, eine Förderung für Nachwuchsforscher. Dieser legte den Grundstein für das heute etablierte Forschungsfeld. Einem Computer beizubringen, wie das menschliche Gehirn Musik aufzunehmen und zu verarbeiten klingt einfach, ist es aber nicht. Aus einer einzigen Schallwelle können wir Lied, Genre, Rhythmus, Sänger, einzelne Instrumente, Text des Liedes und vieles mehr heraushören.

Was bei uns in Sekundenschnelle automatisch passiert, bedeutet für einen Computer Signale in Form von riesigen Zahlenbergen mittels Statistik, Wahrscheinlichkeitstheorie und Algorithmen zu verarbeiten.

Anwendungsbereiche

Erfolgreich umgesetzt haben Gerhard Widmer und sein Team das etwa für den FM4 Soundpark. Die Plattform für Nachwuchskünstler beinhaltet viele noch nie gehörte Musikstücke. Die Forscher schrieben ein Programm, das aus der Musikdatenbank jeweils ähnliche Lieder herausfiltert. Dies ermöglicht es den Hörern, noch unbekannte Musik zu entdecken, die ihren Vorlieben entspricht. Der große Vorteil dabei: Die Musikstücke müssen nicht von einem Menschen gehört und beurteilt werden, um sie zu empfehlen.

Mit Ausdruck

Für sein nun gefördertes Projekt „Con espressione“ geht er noch einen Schritt weiter. Der Projekttitel ist ein Fachausdruck aus der Musik und bedeutet „mit Ausdruck“. Musik ist mehr als Rhythmus und Muster. Sie löst Emotionen in uns aus, erst das macht sie zu etwas Bedeutendem.

Der Advanced Grant sichert die Forschung für die nächsten fünf Jahre. Das Verständnis der Maschinen für Musik soll dabei auf eine andere Ebene gebracht werden. Erst Interpretation, also ein Anpassen an Tempo, Timing und Intensität, macht sie zu einem Erlebnis. Deshalb sollen Computer nun lernen, Musik adaptiv zu spielen. In fünf Jahren möchte Gerhard Widmer einen Computer haben, der mit ihm Klavierspielen übt, „so wie ein guter Dirigent seinem Solisten zuhört“.

Ich versuche nachzuvollziehen, was unser Gehirn tut.

Gerhard Widmer

Zur Person

Gerhard Widmer

Forscher für künstliche Intelligenz und Musik

Geboren: 6. April 1961

Ausbildung: Gymnasium in Bregenz, Informatikstudium an der TU Wien

Preise: START-Preis 1998, Wittgensteinpreis 2009

Familie: verheiratet, ein Sohn