Ein Leben mit Handicap

Als Kind wurde er wegen seiner Hörschwäche gehänselt. Heute spielt er bei den Sagenfestspielen mit.
Vandans. (VN-kum) Walter Mangeng (57) ist im Probenfieber. Seit Ende Mai probt er jeden Sonntag und jeden Dienstag für seine Auftritte bei den Montafoner Sagenfestspielen, die am 22. Juli beginnen. Heuer spielt der gebürtige Silbertaler einen Marktbesucher. Mangeng macht seit 15 Jahren leidenschaftlich gerne bei den Sagenspielen mit. In dieser Zeit hat er schon viele Rollen gespielt. „Ich hatte aber nie eine, bei der ich sprechen musste.“ Wenn Mangeng spricht, muss man genau hinhören, denn seine Aussprache ist undeutlich. Das liegt daran, dass er mit einer starken Hörschwäche zur Welt kam.
Unfair abgestempelt
Diese Hörschädigung beeinflusste sein ganzes Leben. „Eine Operation hätte mir eventuell helfen können. Aber die Ärzte meinten, dass sie zu gefährlich wäre“, bedauert Mangeng noch heute, dass man ihm damals als Kind nicht helfen konnte. Im Laufe der Jahre hörte der Bub, der am Kristberg aufwuchs und seine ersten Hörgeräte erst im Erwachsenenalter bekam, immer weniger.
Die Schule wurde für das hörbehinderte Kind zu einer großen Herausforderung. „Ich tat mir sehr schwer.“ Mangeng wurde als dumm abgestempelt. „Du Deppel“, hänselten ihn seine Mitschüler und schlossen ihn aus. Das tat ihm in der Seele weh. Auch dass er seinen Traumberuf nicht ergreifen konnte, schmerzte ihn. Der Silbertaler wäre gerne Mechaniker geworden, „aber mein Vater meinte, dass ich die Lehre nicht schaffen würde.“
Mangeng fand bei den Skiliften am Kristberg eine Anstellung. Im Sommer verdingte er sich bei der Firma Jäger im Magazin. 20 Jahre war er ein verlässlicher Mitarbeiter, bis zu dem Tag, an dem er einen Unfall hatte und sich einige Rippen brach. „Von da an konnte ich keine schweren Sachen mehr heben.“
Mit 55 ins Altersheim
Wegen seines Rückenleidens musste er schließlich beide Jobs aufgeben. Daraufhin schlich sich Langeweile in sein Leben. 2014 erlitt
der alleinstehende Mann einen Nervenzusammenbruch, weil er den Verlust der Arbeit und das Scheitern einer Beziehung nicht verkraftet hatte. Nach einem mehrwöchigen Valduna-Aufenthalt übersiedelte der besachwaltete Mann mit 55 Jahren ins Seniorenheim Schmidt in Vandans. Dort fühlt er sich heute zu Hause. Am Anfang haderte er aber mit seinem Schicksal. Erst als er seine Kreativität entdeckte, fasste er neuen Lebensmut.
Taubstumme Tante
Der junge Altersheimbewohner liebt es, nach Zahlen zu malen und Rahmen für die Bilder aus Schmucksteinchen zu basteln. Die Wände seines Zimmers sind voll mit seinen Werken. Auch selbst gebastelte Krippen und Vogelhäuschen findet man in seinem kleinen Heim, außerdem einige Hubschrauber, die er auf der Mülldeponie gefunden und repariert bzw. wieder flugtauglich gemacht hat.
Mangeng, dessen verstorbene Tante taubstumm war, schaltet das Radio lauter. „Es war im Böhmerwald, wo meine Wiege stand, im schönen, grünen Böhmerwald“, singt er den Schlager lauthals mit. Seit er Hörgeräte trägt, hat sein Leben eine neue Qualität bekommen.
Er schätzt es, dass er die Vögel zwitschern und die Grillen zirpen hört. Früher, als Kind, bekam er vom morgendlichen Vogelkonzert überhaupt nichts mit. Der schwerhörige Mann schaltet das Radio aus und greift zum Schlüssel seines Mopedautos. Es ist Zeit, zur Probe ins Silbertal zu fahren.
In der Volksschule habe ich mir sehr schwer getan.
Walter Mangeng
Zur Person
Walter Mangeng
engagiert sich seit 15 Jahren für die Montafoner Sagenfestspiele. Der 57-jährige hörbehinderte Mann lebt seit drei Jahren im Seniorenheim.
Geboren: 28. Juli 1959
Familie: ledig
Hobbys: Basteln, Schlagermusik