Reise in die Geschichte

Götz Knall erinnert sich noch gut an die Zeit der Care-Pakete.
lauterach Wenn Götz Knall heute im Alberschwender Ortsteil Fischbach spazieren geht, denkt er oft an früher. Er erinnert sich an die Zeit, als er mit seinen Eltern und zwei Geschwistern aus Siebenbürgen fliehen musste und sie hier eine neue Heimat fanden. Er erinnert sich aber auch dankbar an die Unterstützung, die ihnen damals zuteil wurde. Unter anderem erhielt die Familie einmal eines der Care-Pakete, die in der Nachkriegszeit die größte Not lindern halfen. Rund eine Million solcher Pakete kamen ab 1946 nach Österreich. Heute kann das Land etwas von dieser Hilfe zurückgeben. Und die Vorarlberger machen dabei fleißig mit. Allein heuer haben 3900 von ihnen den Gegenwert von mehr als 35.000 Care-Babynahrungs-Paketen für unterernährte Kleinkinder gespendet.
Den Fluchtweg abgeradelt
Die Geschichte lässt auch Götz Knall noch immer nicht ganz los. Vor einigen Jahren versuchte er, den Fluchtweg von Rumänien ins Burgenland per Fahrrad zu rekonstruieren. „Es war schwierig, weil es kaum Unterlagen gibt“, bedauert der gelernte Maschinenbauingenieur, dass er seinen Vater niemals danach gefragt hat. Was er weiß ist, dass die Familie 1944 mit Ross und Wagen sieben Wochen unterwegs war, im Gepäck nichts als die Kleider am Leib. „Vom Burgenland ging es zu einem Cousin nach Wien und dann weiter nach Alberschwende-Fischbach“, erzählt Götz Knall. Dort kamen sie in einem alten Bauernhaus unter. „Es muss zwischen 1946 und 1948 gewesen sein, als wir das Care-Paket erhielten“, denkt Knall zurück. Was ihm dabei immer noch als erstes in den Sinn kommt, ist das Eierpulver, das er, damals ein kleiner Bub, so gar nicht vertrug. Noch heute, als Pensionist, schaudert ihn, wenn er an den eigenartigen Geruch denkt.
Besser schnitten da schon die Fleischkonserven ab. Vor allem konnten sie, sauber ausgewaschen und weiterverwendet werden. „Die Mutter nutzte sie als Schüsseln oder zum Abstellen des heißen Bügeleisens“, plaudert Götz Knall aus dem Kästchen der Geschichte. Ganz besonders gut schmeckten ihm jedoch die Sojabohnen. Dann gab es da noch ein Spiel, dessen Spielbrett und Spielfiguren aus Karton bestanden. Es nannte sich „Chess & Checkers“. Keiner verstand die englischen Ausdrücke. Aber: „Das Ding war selbsterklärend, und wir Kinder lernten auf diese Weise von den Eltern das Schachspielen.“ Daneben lebte die Familie hauptsächlich von Milch und Kartoffeln. Flächen für den Anbau stellten die Bauern zur Verfügung, das Saatgut schmuggelte der Vater gemeinsam mit anderen Männern nächtens bei Hörbranz über die Grenze. Für eine möglichst gute Ernte wurde jede Kartoffel, bevor sie in die Erde kam, geteilt und das Saatgut somit verdoppelt.
Große Hilfsbereitschaft
Götz Knall ist immer noch beeindruckt von der Hilfsbereitschaft, die den Flüchtlingen entgegengebracht wurde. „Keiner hatte etwas, trotzdem unterstützte man sich gegenseitig wo es nur ging.“ Später zog die Familie nach Hohenems und der Sohn nach Graz, wo er Maschinenbau studierte. 1973 kehrte er mit Frau und Kindern nach Vorarlberg zurück und schuf ihnen in Lauterach ein neues Zuhause. 1995 reiste Götz Knall zum ersten Mal seit der Flucht nach Siebenbürgen. Er hat die ehmalige Heimat nicht wiedererkannt. VN-MM
„Die leeren Dosen wurden als Schüsseln oder zum Abstellen des Bügeleisens genutzt.“
Zur Person
Götz Knall
kam 1944 mit seinen Eltern und Geschwistern als Flüchtling nach Vorarlberg
Geboren 8. Jänner 1939 in Kronstadt
Beruf Maschinenbauingenieur, inzwischen Pensionist
Wohnort Lauterach
Familie verheiratet, 3 Kinder,
4 Enkelkinder
VN/mm