„Virus kann jeden töten“

Dr. Johanna Dreibholz war wegen einer Patientin in Quarantäne.
Dornbirn Sie hat Angst, Angst, dass das Corona-Virus sie und ihre Familie töten könnte. Johanna Dreibholz (43) ist besonders gefährdet, weil sie gesundheitlich vorbelastet ist. „Ich habe Krebs gehabt und leide an Bluthochdruck.“ Außerdem hat sie einen Beruf, der sie täglich mit Menschen zusammenbringt. Seit vier Jahren praktiziert die gebürtige Grazerin als niedergelassene Ärztin in Dornbirn.
In ihrer Praxis für Allgemeinmedizin begann der Ausnahmezustand am 12. März. „Ich bekam von der Landessanitätsdirektion einen Anruf. Man schickte mich in Quarantäne, weil eine Patientin von mir positiv aufs Corona-Virus getestet worden war.“ In der Quarantäne erlebte die Medizinerin einen Flashback. „Ich bin schon einmal isoliert worden. Als ich krebskrank war, musste ich für 17 Tage auf die Quarantäne-Station im Spital.“ In diesen Tagen war sie brutalst mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert. Nun, in der neuerlichen Quarantäne, kamen ähnliche Gefühle hoch. Die schockierenden Bilder aus Italien verstörten sie zusätzlich. Es beunruhigte sie zutiefst, dass das Virus in unserem südlichen Nachbarland auch rund 300 Ärzte und Pfleger hinweggerafft hatte. „Jeder kann an diesem Virus sterben.“ Natürlich wisse sie, dass die Sterblichkeit unter älteren Menschen besonders groß sei. „Aber es gibt immer auch Ausnahmen. Keiner will die Ausnahme sein und auch nicht die Regel.“ Dreibholz glaubt, dass auch bei uns viele Ärzte erkranken werden. Sie selbst hat für sich und ihr Team Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. „Ich trage bei der Arbeit eine Maske, eine Brille, einen Schutzmantel und Handschuhe.“ Seither geht die Medizinerin beruhigter zur Arbeit. „Es gibt mir ein gutes Gefühl, obwohl ich weiß, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt.“ Anfangs fand sie aber die „Verkleidung“ seltsam. „Irgendwie ist es surreal. Draußen scheint die Sonne. Und drinnen, in der Praxis, herrscht Ausnahmezustand.“ Das merkt sie auch am Patienten-Aufkommen. „Es kommen um die Hälfte weniger Patienten in die Ordination.“ Das Virus, so vermutet sie, „wird uns dieses Jahr noch begleiten“. Sie hat sich darauf eingestellt, dass Corona bis Ende Mai heftig wüten wird. „Ich glaube aber nicht, dass es so schlimm wird wie in Italien. Denn wir haben das bessere Gesundheitssystem und mehr Intensiv-Betten.“ Ihre Hoffnung liegt auf der Wissenschaft. „Vielleicht findet man bald ein Medikament, das hilft oder den Krankheitsverlauf abschwächt.“ Bis dahin gelte es, gesund durchzukommen. Dafür tut die praktische Ärztin alles. „Nach draußen gehe ich nur noch, wenn es unbedingt sein muss. Ich jogge nicht mehr. Und ich gehe auch nicht mehr einkaufen. Zum Glück habe ich wunderbare Nachbarn, die das für mich übernehmen.“
Die Pandemie, die manche vorhergesagt haben, hat auch die Allgemeinmedizinerin von heute auf morgen in den Ausnahmezustand katapultiert. Darauf vorbereitet waren wohl die wenigsten. Während des Medizinstudiums sei das kein Thema gewesen, sagt Dreibholz, die als Jugendliche Tierärztin werden wollte. Als Maturantin war ihr aber auf einmal sonnenklar, „dass ich Humanmedizin studiere. Ich fand den Menschen dann doch interessanter“. Nach dem Studium wurde die Steirerin Mutter. Die Turnus-Ausbildung absolvierte Dreibholz, die einen Vorarlberger geheiratet hatte, im Spital Dornbirn. Danach arbeitete sie als Stationsärztin im Sanatorium Mehrerau. Später war sie als Arbeitsmedizinerin tätig. „Das erfüllte mich nicht. Deshalb bewarb ich mich für eine Kassenarztstelle.“ In ihre tägliche Arbeit fließt ihr Wissen ein, das sie sich in Zusatzausbildungen erworben hat. Dreibholz ist nicht nur praktische Ärztin, sondern auch Ernährungs- und Reisemedizinerin und Not- und Taucherärztin. VN-kum
Zur Person
Dr. Johanna Dreibholz
vermutet, dass das Corona-Virus noch bis Ende Mai heftig bei uns wüten wird.
Geboren 16. April 1976 in Graz
Wohnort Dornbirn
Familie geschieden und jetzt in neuer Partnerschaft, sechs Kinder (davon zwei leibliche)
Hobbys Tauchen, Skifahren, Reisen