Leben statt Bürokratie

Wetter / 19.01.2021 • 18:04 Uhr
Ulrike Bell unterstützt derzeit auch das Altenwohnheim in Sulzberg.ph au
Ulrike Bell unterstützt derzeit auch das Altenwohnheim in Sulzberg.ph au

Ulrike Bell fühlt sich in der Langzeitpflege wohler.

Au Das Coronavirus aus Alten- und Pflegeheimen draußen zu halten, gehörte und gehört immer noch zu den größten Herausforderungen, mit denen Heimleitungen konfrontiert sind. Ulrike Bell (55), Heim- und Pflegedienstleiterin im Sozialzentrum Haus St. Josef in Au, hat dieses schwierige Unterfangen bislang erfolgreich gemeistert. Dafür nahm sogar eine Anzeige in Kauf. Als die Pandemie nicht mehr aufzuhalten war, erließ Bell nach Rücksprache mit Gemeinde und Gemeindearzt von sich aus ein Besuchsverbot. Das stieß so manchen Angehörigen ziemlich sauer auf, und die engagierte Heimleiterin war mit einer Anzeige, die beim Land eingebracht wurde, konfrontiert. „Ich konnte erklären, dass Hygieniker, Arzt und Gemeinde über mein Vorgehen informiert waren und die Entscheidung mitgetragen haben“, erzählt Ulrike Bell. Daraufhin legte auch die Pflegeaufsicht die Anzeige zu den Akten. „Dieser Rückhalt ist sehr viel wert.“

Hinaufgearbeitet

Erst mit 30 hat sich Ulrike Bell entschieden, in einen Sozialberuf zu wechseln. Bis dahin war sie als Bürokauffrau tätig. Im Pflegebereich ging es Schritt für Schritt weiter. Zu Beginn arbeitete die dreifache Mutter als Pflegehelferin, mit 40 schloss sie schließlich die Ausbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester ab. Zur Abrundung setzte sie die Matura noch oben drauf. Dann zog Bell mit ihrer Familie ins Burgenland, wo ihr bereits die Leitung eines Pflegeheims übertragen wurde. Zurück in Vorarlberg führte sie ihr beruflicher Weg zur Landesregierung, wo sie als Amtssachverständige für den Pflegebereich tätig war. Doch bald wurde es Ulli Bell dort zu bürokratisch. „Mir fehlten die alten Menschen“, gibt sie freimütig zu. Deshalb bewarb sie sich um den Posten der Heimleiterin im Haus St. Josef in Au. „Ich wollte ein kleines Heim, weil es viel familiärer ist.“ Sie bekam es  und fühlt sich dort immer noch so wohl wie am Anfang. Warum sie in die Altenpflege ging? Die gebürtige Altacherin hat eine einfache Antwort: „Im Pflegeheim kann Beziehung aufgebaut werden, weil die Menschen meist über einen längeren Zeitraum da sind und wir die Möglichkeit haben, sie zu begleiten, zu betreuen und zu pflegen.“

Für sie und ihr Team steht die Betreuung im Vordergrund. „Natürlich gilt es auch die medizinischen Aspekte zu berücksichtigen“, flicht Ulrike Bell ein, aber die Bewohner sollen, soweit möglich, so leben können, wie sie es möchten. „Sie müssen nicht jeden Tag glänzen“, merkt sie lächelnd an. Heimleitung und Mitarbeitende ziehen bei dieser Philosophie an einem Strang. Die ihnen anvertrauten Menschen sollen sich rundum wohlfühlen. Corona hat Feste, Feiern und Ausfahrten eingeschränkt, teilweise sogar unmöglich gemacht. Dennoch lässt Ulrike Bell nichts unversucht, um den Heimalltag abwechslungsreich zu gestalten. Sie möchte Leben im Haus haben.

Feierabend mit Familie

Ulrike Bell fährt täglich mit dem Auto von Altach nach Au und zurück. Diese Zeit gehört ihr. „Da kann ich abschalten und mich frei von den Gedanken an die Arbeit machen“, sagt sie. Fällt die Autotüre vor dem Haus ins Schloss, ist für Bell endgültig Feierabend. Ab da ist sie für die Familie da. Die ist stolz auf die Ehefrau, Mutter und Oma. Ulli wiederum weiß: „Um das machen zu können, muss die Familie dahinterstehen.“ Seit sie einen einjährigen Enkel hat, genießt sie die Freizeit noch mehr. VN-MM

„Ich wollte in einem kleinen Heim arbeiten, weil es dort viel familiärer ist.“

Zur Person

Ulrike Bell

führt seit fünf Jahren die Agenden im Sozialzentrum Haus St. Josef in Au

Geboren 8. Mai 1965

Ausbildung Bürokauffrau

Laufbahn Pflegeausbildung, Amtssachverständige beim Land, Heim- und Pflegeleiterin

Familie verheiratet, 3 Kinder, 1 Enkel

Hobbys Lesen, Puzzeln, in der Natur sein