Der Fleischermanager

Ein Manager steigt aus und widmet sich ganz dem Fleisch.
Dornbirn, Hittisau Die Karriere verläuft wie im Bilderbuch: nach der Ausbildung in der Großindustrie gelandet; Marketing, Vertrieb, auf der ganzen Welt unterwegs. 15 Jahre lang arbeitet Cornel Hess für den Zumtobel-Konzern. Mit 50 beginnt er jedoch nachzudenken: Ist es das Richtige? Was ist mir wichtig? Was will ich noch erreichen? Sein Entschluss: Er steigt aus. Zwei Jahre später findet man Cornel Hess auf den Bauernmärkten in Bregenz und Dornbirn, ansonsten in Hittisau. Der Manager absolviert eine Ausbildung zum Metzger. Seit Jänner führt er zudem die Geschäfte der Genossenschaftsmetzgerei Nagelfluhkette.
Warum gibt ein erfolgreicher Manager einen gut dotierten Posten auf und wechselt komplett? „Der Job passte nicht mehr zu mir. Also habe ich den klassischen Karriereweg abgebrochen. Das ist eine Haltungsfrage“, antwortet Cornel Hess. Er wollte etwas mit den Händen arbeiten und seiner Leidenschaft – dem Kochen – auch beruflich nachgehen. „Außerdem war mir ein tägliches Ergebnis wichtig. In der Großindustrie habe ich viel Zeit in Meetings verbracht.“
Cornel Hess sucht sich nicht einfach eine Lehrstelle; er sucht sich die besten Lehrer. Er absolviert Praktika in Hamburg und im Schwarzwald. In Vorarlberg hörte er sich unter Metzgern um, ob sie jemanden suchen. So erfuhren die Mitglieder der Genossenschaft Nagelfluhkette von seinem Berufswechselwunsch. Sie klopften beim Dornbirner an. „Die Ziele und Werte der Genossenschaft haben sich mit meinen gedeckt.“ Mittlerweile führt er die Geschäfte der Genossenschaftsmetzgerei. Die Ausbildung macht er weiter. „Ich will das Handwerk verstehen, nicht nur managen.“
Seine Leidenschaft gilt dem Genuss. Privat kocht er gerne, genießt Landschaften beim Wandern, Skifahren und beim Sport. Seine drei Töchter sind bereits erwachsen. Als er ihnen von seinen Plänen erzählt, reagieren sie wie alle, berichtet der 52-Jährige. „Sie waren erstaunt und sagten dann: ‚Boa cool, du traust dich was!‘ Diesen Satz höre ich von vielen.“
Cornel Hess hat Großes vor. In den 15 Jahren, in denen er in Vorarlberg wohnt, hätten allein in Dornbirn acht Metzger geschlossen. „Wir haben ein sterbendes Handwerk. Ich habe die Chance, etwas aufzubauen.“ Die Metzgerei sei auf den Märkten in Dornbirn und Bregenz vertreten, um das Handwerk wieder in die Städte zu bringen. „In der Vitrine im Supermarkt sieht man nicht, was dahintersteckt.“ Der Preisverfall durch Massenproduktion trage viel dazu bei. „Das Besondere an der Genossenschaft ist, dass sie aus einer Eigeninitiative von engagierten Bregenzerwäldern entstanden ist“, schwärmt der Neo-Metzger. Wenn er über sein neues Handwerk spricht, ist er nicht mehr zu stoppen. Er spricht von „Nose to tail“, von Zweitnutzungen, von Kälbertransporten, von Fleischqualität, Transparenz, Tierzucht … „Wir sind eine Genossenschaft, kein Betrieb. Das ist etwas Besonderes!“ Einer weiteren Bilderbuchkarriere steht also nichts im Weg. VN-mip
Zur Person
Cornel Hess
Geschäftsführer Genossenschaftsmetzgerei Nagelfluh
Geboren 14. August 1968
Ausbildung Über 20 Jahre in der Großindustrie in verschiedenen Bereichen. Absolviert nun eine Metzgerausbildung.
Wohnort Dornbirn
Familie drei erwachsene Töchter