Der große Unterschied der Liebesgefühle

Wenn die Hormone verrückt spielen: Leiden Verliebte an geistiger Umnachtung?
schwarzach. Herzklopfen bis zum Hals, Appetitlosigkeit, Schlafarmut, Konzentrationsunfähigkeit, Wechselspiele zwischen Hochstimmung und Angstzustand: Die Dia-gnose lautet Verliebtheit. Ein Ausnahmezustand, bei dem die Hormone verrückt spielen, Botenstoffe wie Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin abgefeuert werden und Glücksgefühle verursachen, die als die berühmten Schmetterlinge im Bauch wahrgenommen werden. Man ist erregt und voller Leidenschaft, will nur noch mit dem neuen Partner zusammensein, sieht nur das Anziehende an diesem Menschen, ist verrückt nach ihm. Das intensive Verlangen nach dieser Person geht in der Regel auch mit großer Sehnsucht einher.
Auf einmal sinken die Serotoninwerte, und zwar so tief, dass depressionsartige Zustände das Hochgefühl ablösen. Angst, den neuen Partner wieder zu verlieren, manifestiert sich.
Dieses andauernde Wechselbad der Gefühle hat zur Folge, dass das Gehirn abschaltet. Dieser Zustand, der laut Psychologen etwa ein halbes Jahr andauert, kann in der Tat als „geistige Umnachtung“ bezeichnet werden.
Ernüchterung im Alltag
„Schon das Vorwort sagt viel aus: Ver-liebt nennt man auch den ver-nebelten Geisteszustand des Ver-liebtseins“, sagt Hannelore Tschabrun. Die Psychotherapeutin aus Bregenz hat in ihrer jahrelangen Praxis mit Menschen zu tun gehabt, die mit ihren Gefühlen im Zustand des Verliebtseins nicht zurechtgekommen sind. „Verliebtheit beinhaltet den Wunsch, Unangenehmes einfach auszublenden.“ Die Ernüchterung komme dann meist im Alltagsleben, „was sich aber auch als Liebe manifestieren kann“. Denn der Zustand der Verliebtheit besteht als eine Phase über einen längeren oder kürzeren Zeitraum, kann abflauen und sich auflösen.
Am Ende gibt es zwei Möglichkeiten, wie es weitergeht: Trennung oder der Übergang in eine Liebesbeziehung. Denn der Glücksrausch geht vorüber. Die Hormone Oxytocin und Vasopressin beruhigen und erzeugen harmonische Gefühle. Bindung und Geborgenheit werden wichtig. Auch Treue, wofür das Hormon Vasopressin verantwortlich ist. Es stärkt soziale Gefühle wie Solidarität und Zusammengehörigkeit. Im Gegensatz zur Dopaminschwemme hält das der Mensch normalerweise auf Dauer ganz gut aus.
Geruchssinn entscheidet mit
Untersuchungen am Max-Planck-Institut mit Tieren erbrachten Hinweise über einen Zusammenhang zwischen dem individuellen Immunsystem eines Lebewesens und der Partnerwahl. Über den Geruchssinn können genetische Individualität und Verschiedenheit erfasst und bewertet werden.
Den Forschern zufolge könnte es sich dabei um einen konservierten Mechanismus der Evolution handeln, der durch die Wahl des geeigneten Partners den Nachkommen eine möglichst gute Überlebenschance bietet. Für den Menschen bedeutet das, dass der Geruchssinn entscheidend daran beteiligt sein könnte, ob und in wen man sich verliebt.
Laut Wissenschaftern sei es nicht auszuschließen, dass der Mensch in der Lage ist, über den Eigengeruch eines anderen Menschen zu erkennen, wie dessen Immunsystem beschaffen ist. Es ist nämlich von Vorteil, dass beide Partner ein sehr unterschiedliches Immunsystem haben, damit für die Nachkommen durch Vererbung ein wehrhaftes Immunsystem möglich wird. Sie sollten möglichst komplementär ausfallen, damit deren Kombination beim Kind einen weiten Bereich abdecken kann.
Um diesen Zustand schadlos zu überstehen, rät Hannelore Tschabrun: „Genießen und sich selbst treu bleiben.“