Die tägliche Ration Gift

Wissen / 19.07.2013 • 14:36 Uhr
Auf vielen, vor allem importierten Gemüse- und Obstsorten sind Rückstände von hormonell wirksamen Pestiziden. Foto: fotolia
Auf vielen, vor allem importierten Gemüse- und Obstsorten sind Rückstände von hormonell wirksamen Pestiziden. Foto: fotolia

Pestizide, Antibiotika, Hormone, Schwermetalle: Wie man sich täglich krank essen kann.

SCHWARZACH. Kopfsalat, Tomaten, Gurken, Äpfel und Lauch sind in der EU die fünf Lebensmittel mit der höchsten durchschnittlichen Belastung durch endokrin wirksame Substanzen, auch Umwelthormone genannt, meldete Global 2000 im Oktober letzten Jahres. Konsumenten sind bis zu 30 verschiedenen Pestizidrückständen mit hormoneller Wirkung ausgesetzt. Eine von der Umweltorganisation europaweit durchgeführte Studie zeige, dass „Rückstände von hormonell wirksamen Pestiziden auf Obst und Gemüse zur Gesamtbelastung des Menschen durch künstliche Hormone beitragen. Sie können körpereigene Hormone imitieren, verändern oder blockieren und stören das Gleichgewicht des Hormonsystems, das lebenswichtige Vorgänge wie Wachstum, sexuelle Entwicklung und Verhalten steuert.“ Wie die „echten Hormone“ entfalten auch hormonelle Schadstoffe ihre Wirkung bereits in ganz geringen Konzentrationen und können Krebserkrankungen, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und Herz-Kreislauf-Probleme auslösen.

Ein deutsches Masthähnchen bekommt im Schnitt an zehn seiner 39 Lebenstage einen antibiotischen Wirkstoff. Ein Schwein wird während seiner 115-tägigen Mast an durchschnittlich vier Tagen mit Antibiotika behandelt, jedes dritte Kalb an drei Tagen pro Jahr. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und der Universität Leipzig. Die Experten haben für das Jahr 2011 Informationen aus mehr als 2000 Nutztierhaltungen erfasst. Obwohl der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung umstritten ist, weil der Wirkstoff bei Keimen zu Resistenzen führen und zudem für den Fleisch konsumierenden Menschen gefährlich werden kann, wird auch künftig nicht darauf verzichtet.

Aufwühlender Film

Pestizidrückstände in Obst und Gemüse, Antibiotika in Fleisch und Fisch, aber auch Schwermetalle wie Quecksilber, Farbstoffe, Weichmacher und Geschmacksverstärker: All das enthalten industriell hergestellte Nahrungsmittel, die zwar gesund sind für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie, nicht aber für den Menschen.

Der Frage um die Zulassungsvoraussetzungen und der Verbindung zwischen den zugelassenen chemischen Stoffen in den Lebensmitteln und Krankheiten wie Unfruchtbarkeit, Schädigungen des Nervensystems oder Krebs geht die französische Dokumentarfilmerin Marie-Monique Robin in ihrem Film „Unser täglich Gift“ nach. Anhand ihrer weltweit durchgeführten Recherchen zeigt Robin auf, was die Lebensmittelindustrie täglich so alles den Konsumenten vorsetzt. Gleichzeitig warnt sie vor den schädlichen Auswirkungen chemischer Stoffe auf den menschlichen Organismus.

Als Zankapfel gelten besonders die Grenzwerte und Zulassungsbestimmungen. „Die Zulassungsgenehmigungen für chemische Stoffe basieren auf Studien, die von den chemischen Unternehmen selbst durchgeführt wurden“, erklärt Robin in ihrem aufwühlenden Film. Die zuständigen Behörden würden sich neuen wissenschaftlichen Studienergebnissen nur sehr langsam anpassen.

Bio schlägt konventionell

„Die in Vorarlberg verkauften Lebensmittel haben meist einen sehr langen Weg hinter sich, bis sie auf unseren Tellern landen“, sagt Edgar Eller, Präsident von Slow Food Vorarlberg – ein Verein, der sich der Förderung des Rechts auf Esskultur und der regionalen Vielfalt der Lebensmittel verschrieben hat. „Ein Blick in den eigenen Kühlschrank genügt, um zu sehen, wie schnell bei frischen Lebensmitteln ein Alterungsprozess einsetzt.“ Damit liege es auf der Hand, dass ein solcher Transport ohne Vorbehandlung der Ware in der Regel nicht schadlos überstanden werden kann. „Auch der industrielle großflächige Anbau fordert seinen Tribut an Qualität, da Monokulturen extrem schädlingsanfällig sind“, fährt Eller fort. „Auch wenn man keine Patentlösung anbieten kann, gilt: Bio schlägt Konventionell und Regionalität schlägt Import.“

Allerdings ist auf das Gütesiegel kein Verlass. Steht auf dem Etikett „Österreichische Herkunft“, heißt das noch lange nicht, dass diese Ware in Österreich hergestellt wurde, sondern lediglich, dass man sie hier abgepackt hat. „Man darf nicht vergessen: Hinter der derzeitigen Zertifizierungswelle steckt ein unheimlich großes Geschäft“, erklärt der Slow-Food-Präsident. „Die Krux ist, nicht jeder kleine regionale Produzent kann sich diesen Aufwand leisten und manche Siegel sind so verwässert, dass keine große Aussagekraft mehr dahinter steckt.“ Die inhaltlich einfachste, organisatorisch sicherlich aufwändigste Methode sei, den Produzenten persönlich aufzusuchen, und ihn nach der Qualität seiner Produkte zu fragen. „Auch wenn von politischer Seite klare, nachvollziehbare Kriterien eingefordert werden sollten, kommt man nicht umhin, zukünftig als mündiger Konsument kritisch zu bleiben und nicht alles zu glauben, was in bunten Logos auf Verpackungen klebt.“

Unser täglich Gift,
Dokumentarfilm von Marie-Monique Robin, ARTE EDITION