Hormoncocktail im Bad

Umweltschützer warnen vor hormonell wirksamen Chemikalien in Kosmetikprodukten.
SCHWARZACH. (VN) Fein riecht das Duschgel. Fein fühlt es sich auf der Haut an. Dann zwei, drei Spritzer Deodorant nicht vergessen, damit sich tagsüber ja keine Schwitzflecken unter den Achseln bilden. Jetzt noch Zähne putzen und den Mund mit dem seidenweichen, lang haftenden Lippenstift färben.
Für die meisten Menschen – ob Mann oder Frau – beginnt der Tag im Badezimmer. Und dort kriegt der Körper einen Hormoncocktail ab, der ihm so gar nicht gut bekommen kann. Berechtigt besteht sogar Grund zur Sorge, dass solch eine morgendliche Hormonmischung Gesundheitsschäden verursachen kann. Unter anderem über Duschgel, Zahnpasta, Lippenstift, Deodorant, Rasierschaum – auch Sonnenmilch.
Chemie auf die Haut
Einer Studie des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) zufolge enthält etwa ein Drittel der in Deutschland gängigen Körperpflegeprodukte und Kosmetika Chemikalien, die sich negativ auf das Hormonsystem im Körper auswirken könnten.
Dazu gehören Stoffe mit schier unaussprechlichen Namen wie Ethylhexyl Methoxycinnamate oder 4-Methylbenzylidene Camphor, die zum Beispiel in UV-Filtern von Sonnencremes vorkommen.
Andere Chemikalien sind in Haarfärbemitteln, Hautpflege- oder Hautschutzmitteln enthalten. „Solche Substanzen könnten im Körper ähnlich wie weibliche Hormone wirken“, informiert BUND-Expertin Sarah Häuser. In der Vergangenheit habe es vermehrt gesundheitliche Auffälligkeiten gegeben, unter anderem verminderte Spermienqualität bei jungen Männern, verfrühte Pubertät bei Mädchen, missgebildete Geschlechtsorgane bei männlichen Babys oder hormonbedingte Krebsarten wie Brust- oder Prostatakrebs. Und das sollte nachdenklich stimmen.
Zu bedenken ist auch, dass die Deutschen laut Angaben des Bundes jährlich rund 13 Milliarden Euro für Körperpflege- und Kosmetikprodukte ausgeben, die Österreicher etwa eineinhalb Milliarden.
Der BUND hat für diese Studie mehr als 60.000 Körperpflegeprodukte auf ihre Inhaltsstoffe geprüft. Im Visier der Tester waren vor allem 15 Substanzen, die auch auf einer EU-Liste als potenzielle hormonelle Schadstoffe geführt werden.
„Am stärksten verbreitet sind sogenannte Parabene, die Kosmetika vor Verderb schützen sollen“, lässt der Leiter der Untersuchung, Jurek Vengels, wissen. Vor allem die Marktführer schneiden bei der Prüfung des BUND schlecht ab: „Bei den großen Marken ist knapp die Hälfte der Produkte betroffen. Die Produkte der Marktführer Beiersdorf und L’Oréal sind der Studie nach überdurchschnittlich oft belastet.
Noch ist die Beimengung solcher Chemikalien legal. Auf EU-Ebene wird jedoch diskutiert, die Grenzwerte von Propyl- und Butylparaben um die Hälfte abzusenken. In Dänemark, zumBeispiel, sind diese beiden Konservierungsmittel in den Produkten für Kinder unter drei Jahren verboten. Denn deren Stoffwechsel ist nach bisherigen Erkenntnissen noch nicht ausreichend entwickelt, um die Chemikalien zu verarbeiten.
Beide Stoffe entdeckte der BUND aber in mehreren gängigen Kosmetikprodukten. Die Umweltschützer fordern nun ein nationales Verbot nach dänischem Vorbild.
Allerdings bemängeln die Experten des BUND, dass die gegenwärtigen Risikobewertungen nur für einzelne Stoffe gelten. Der Cocktail, der sich durch die Verwendung verschiedener Kosmetika im Körper ergibt, wird laut Sarah Häuser nicht berücksichtigt. „Hinzu kommt, dass auch Kunststoffe hormonähnliche Wirkungen haben.“
Kritik von der Lobby
Der deutsche Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW) kritisiert, als Verbraucherinformation sei der Kosmetik-Check „völlig ungeeignet“. Die Substanzen seien legal und kämen nur in sehr geringen Mengen mit dem Körper in Kontakt. Und der Konzern Baiersdorf, der die Warnungen des BUND als „unbegründet“ bezeichnet, führt jedoch inzwischen einige Produkte, die mit dem Zusatz „Ohne Parabene“ gekennzeichnet sind.
In der Vergangenheit gab es vermehrt gesundheitliche Auffälligkeiten.
Sarah Häuser, bund-expertin